Spotlight: Der Film birgt eine erschreckende Wahrheit [Backgroud-Recherche]

Ein Film – basierend auf wahren Begebenheiten. Spotlight. Der Film thematisiert die an die Hundert Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, in Zentrum steht damit steht der Bostoner Skandal und der pädophile Priester John Geoghan.

 

Aber erst einmal zum Film selbst

 

 

Im Jahre 2001 bekommt die Tageszeitung „The Boston Globe“ einen neuen Chefredakteur: den Journalisten Marty Baron (Liev Schreiber) aus Miami. Dieser entdeckt in der Zeitung einen Artikel über einen pädophilen Priester, John Geoghan, und Kardinal Bernard Law (Len Cariou), der Erzbischof von Boston. Law wusste von den sexuellen Übergriffen Geoghans an Kindern, das suspekte jedoch war, dass er nichts dagegen tat. Baron vermutet aufgrund dieses Einzelfalles, dass sich dahinter noch mehr verbirgt, deshalb drängt er sein persönliches vierköpfiges Investigativ-Team, genannt Spotlight, dazu, diese Sache aufzudecken. Das Team beginnt nach und nach die Sache immer weiter aufzudecken. Sie finden heraus, dass das gesamte Erzbistum von den Übergriffen gewusst hatte, diese durch Versetzungen der Täter vertuscht und durch Geld das Schweigen der Opfer erkauft hatte, um Gerichtsprozessen zu entfliehen. Selbst die gerichtlichen Akten dazu, haben sie aus dem Gerichtsarchiv verschwinden lassen. Über einen ehemaligen Priester, genannt Richard Sipe (Richard Jenkins) erfährt das Team, dass ungefähr 6 Prozent der Priester sich an Kinder vergehen. Nachgerechnet kommt das Team damit auf 90 Priester in Boston. Nach ausgiebiger Recherche, stellt das Spotlight-Team eine Liste von 87 Proestern zusammen, die ungewöhnlich oft in eine andere Gemeinde versetzt wurden. Um herauszufinden, ob tatsächlich etwas dahinter steckt, nimmt das Team Kontakt mit den vermeintlichen Opfern auf. Eine weitere Tür wird dem Team geöffnet, als der Opferanwalt Mitchell Garabedian (Stanley Tucci), gegen den Einspruch der Kirche, die Einsicht in die alten Gerichtsdokumente aus früheren Verfahren erwirkte. Diese Dokumente bestätigten, dass Kardial Law sehr genau über den Missbrauch Bescheid wusste und diese damit auch wissentlich ignorierte. Natürlich stieß das Team auch auf Hindernisse, zum Beispiel versuchte das Bostoner Establishment den Chef des Teams, Walter Robinson (Michael Keaton), von den Recherchen abzubringen. Am Ende des Filmes kommt allerdings heraus, dass genau dieser ebenso an den langjährigen Verzögerungen der Aufdeckung mitverantwortlich war, denn lange zuvor erhielt Robinson eine Liste von 20 Priestern, die ihm allerdings eine Recherche wert schienen. Der Artikel des Spotlight-Teams erschien Anfang 2002, am Tage danach wurde das Team mit Anrufen weiterer Opfer überflutet.

 

 

Nun zum Bostoner Skandal und was dahinter steckt

 

Aufgrund des Artikels, der tatsächlich Anfang 2002 erschien, wurde aufgedeckt, dass 90 Priester an die 1000 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht hatten. Der Erzbischof von Bosten, Bernard Francis Law, trat im selben Jahr am 13. Dezember zurück, da dieser John Geoghan mehrfach versetzt haben soll, welcher sich an mehr als 130 Kindern vergriffen hatte. Geoghan wurde 2002 zu einer 10-jähringen Freiheitsstrafe verurteilt und ist im Jahr darauf von einem Mithäftling ermordet worden. Geoghan war die Schlüsselfigur für die Skandale. Die ersten 90 Namen der Priester gab Law selbst bekannt, August 2011 veröffentlichte das Erzbistum auf seiner Website noch mehr Namen von Priestern, die des sexuellen Missbrauchs angeklagt waren.

Natürlich reagierten Organisationen auf diese Vergehen. So entwickelte das Ad Hoc Committee on Sexual Abuse eine Charta zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Darin musste sich die römisch-katholische Kirche sich darin verpflichten, eine sichere Umgebung für junge Menschen zu schaffen. Damit legt die Charta fest, dass Bewerber um eine Anstellung in der römisch-katholischen Kirche in Zukunft vor Anstellung eingehend überprüft werden müssen. Die Charta verpflichtet außerdem alle Diözesen, in denen es Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs gibt, die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten, eine eigene Untersuchung einzuleiten und den Beschuldigten sofort aus dem Dienst zu entfernen. Neben der Charta erließen die US-Bischöfe 2003 grundlegende Regelungen für den Umgang mit Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs in den Amtsgebieten der katholischen Bischöfe.

2005 wurde in Priesterseminaren Fragebögen verteilt, die nach Anzeichen von homosexuellen Neigungen fragten. Diese Aktion wurde allerdings stark kritisiert, da die homosexuelle Neigung nicht das Problem der Krise ist. Bis 2008 hatte die römisch-katholische Kirche in den Vereinigten Staaten entsprechend der Charta 5,8 Million Kinder unterrichtet, wie Missbrauch zu erkennen und zu melden sei. Ehrenamtliche und Angestellte, Erzieher, Kleriker und Priesteramtskandidaten waren überprüft worden. Millionen von Klerikern, Angestellten und Ehrenamtlichen wurden geschult, die Verpflichtungen in der Charta umzusetzen.

Bisher wurden Klagen von etwa 10000 Opfern verzeichnet, welche einen Schadensersatz von mehr als zwei Milliarden Dollar erhielten. Aufgrund dieser Zahlungen mussten bis Ende 2010 insgesamt 7 Bistümer und der Jesuitenorden von Oregon ihre Zahlungsunfähigkeit erklären. Unter den insolventen Bistümern befanden sich das Bistum Davenport in Iowa, Bistum Fairbanks in Alaska, das Erzbistum Portland in Oregon, das Bistum San Diego in Kalifornien, das Bistum Spokane in Washington, das Bistum Tucson in Arizona, das Bistum Wilmington in Delaware und das Erzbistum Milwaukee. Am 13. März teilten Anwälte von Opferfamilien mit, dass beide Seiten sich auf 10 Millionen Dollar einigten, worauf im Gegenzug die Vorwürfe nicht weiter verfolgt werden.

 

 

Das Ausmaß des Problems war jedoch weitaus großer als bisher angenommen. Die 2005 und 2006 veröffentlichte Studien zeigen auf, dass 95 Prozent aller Amtsgebiete (Diözesen) und 60 Prozent aller Ordensgemeinschaften betroffen waren, das heißt in Zahlen, dass 188 von 195 Diözesen und 110 von 140 Ordensgemeinschaften von mindestens einen Fall der Anschuldigung wegen sexuellen Missbrauchs gegen einen Priester berichteten. Nach Auswertung der American Society of Criminology wurden für die Jahre 1950 bis 2002 insgesamt 4392 Fälle von tatverdächtigen Priestern mit 10.667 möglichen Fällen von sexuellem Missbrauch registriert. In den vorliegenden Anschuldigungen fanden allerdings nur in 9300 Fällen Nachforschungen statt, welche in knapp 6700 Fällen abgeschlossen und in knapp 5700 Fällen zu einem klaren Ergebnis geführt haben. 1000 Anschuldigungen gegen etwa 800 Proestern konnten nicht untermauert werden, in etwa 80 Fällen wurden die Anschuldigungen als falsch gewertet. In den ca. 3300 Fällen von Anschuldigungen, bei denen keine Nachforschungen stattfanden bzw. nicht abgeschlossen wurden, war der betreffende Priester zum Zeitpunkt der Anschuldigungen bereits verstorben. Die Anschuldigungen gegen 1671 Priester wurden dabei für glaubhaft gehalten, während die Anschuldigungen gegen 345 Priester als unglaubwürdig bewertet wurden.

In der John-Jay-Studie wurden auch konkrete Missbrauchstaten veröffentlicht. Wer sich für Details interessiert, kann sich über Wikipedia o.ä. informieren. Dort sind die Taten gelistet und die prozentualen Angaben des Missbrauchs an Jungen und Mädchen.

Warum die Priester so viele Jungen und Mädchen missbrauchten, ist reine Spekulation. Selbst 2011 wurden noch 21 Priester wegen Missbrauchsverdacht suspendiert worden, 3 weitere wurden beurlaubt. Dies war keine öffentliche Verurteilung, so der Bischof. Es solle sich lediglich um eine vorsorgliche Maßnahme gehandelt haben.

Das klingt so, als wäre dies bloß ein amerikanisches Problem, doch das ist ganz anders. Selbst in Deutschland gibt es rund 12900 dokumentiere Sexualverbrechen in 9 Staaten. Rund 40 Prozent der Täter fassten Kinder und Jugendliche unter und über der Kleidung an, mehr als ein weiteres Drittel wollte richtigen Sex.

Im Rückblick liegt das Versagen der Kirche wahrscheinlich im Desinteresse. Die Kirche selbst hatte nie einen Prozess selbst geführt, noch dazu wurden Geistliche wohl auch in andere Diözesen versetzt, ohne dass dort jemand etwas von Verdachtsmomenten zu Missbrauch erfuhr. In dieser Umgebung konnten Täter immer weitermachen. Die Wissenschaftler haben in der Metaanalyse bereits Folgen für die Opfer der Kirchenmänner zusammengetragen. Dazu zählen Albträume, Angststörungen, Panikattacken, ein gestörtes Sexualverhalten, Verschlossenheit und Einzelgängertum. Was bisher aus der Metaanalyse der Deutschen bekannt ist, gibt bereits einen Blick in den Abgrund frei. Unter 328 Tätern machten die Forscher 97 Mal emotionale und sexuelle Unreife aus, 71 Mal Persönlichkeitsstörungen und 58 Mal Merkmale von Pädophilie.

Mittlerweile hat der Skandal die Kirche etwas aufgeweckt, denn nun werden solche Verbrechen in den meisten Fällen nicht mehr ignoriert, sondern auch direkt als Verbrechen gesehen. Doch auch hier gibt es zwei Meinungen. Matthias Katsch glaubt nicht, dass die Kirche aus den Missbrauchsfällen gelernt hat. „Die nichtlebbaren Vorschriften zur Sexualität von Priestern und Laien erzeugen eine permanente Doppelmoral“, sagt er. Bisher verwendet die Kirche das Geld für Anwälte und PR als für Missbrauchsopfer.

 

 

geschrieben am: 19. März, 2017 um 7:54 pm

Autor:

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Jan Feldow