Kritik: The United States vs. Billie Holiday | Eine fantastische Hauptdarstellerin macht noch lange keinen guten Film

Wenn man die Oscar-nominierten 2021 durchgeht, fällt ein Film eher weniger ins Auge. „The United States vs. Billie Holiday“ ist für einen Oscar in der Kategorie Beste Hauptdarstellerin nominiert. Warum mehr Nominierungen unmöglich waren, erkläre ich euch in der Kritik

 

Inhalt

Billie Holiday (Andra Day) feiert in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts große Erfolge als Sängerin. Doch weil sie nicht nur bei schwarzen Zuhörern und Zuhörerinnen beliebt ist, sondern auch viele Fans in der weißen Bevölkerung der USA hat, wird sie von den US-Behörden genauestens beobachtet. Als ihr Lied „Strange Fruit“ zu einer Hymne für die erstarkende Bürgerrechtsbewegung wird, wird sie vom Federal Department of Narcotics mit einer Undercover-Operation unter der Leitung von Harry Anslinger (Garrett Hedlund) und dem schwarzen Bundesagenten Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes) ins Visier genommen, mit dem sie eine turbulente Affäre hatte. So wird sie schließlich wegen Drogenbesitzes und Drogenkonsum vor Gericht gestellt und landet im Gefängnis. Doch obwohl sie weiterhin mit Suchtproblemen zu kämpfen hat, lässt sich Billie Holiday nicht unterkriegen…
 
 

Kritik

The United States vs. Billie Holiday“ galt vor der Veröffentlichung in den USA als eine sichere Bank für die Oscars. Schon Anfang 2020 wurde behauptet, das könnte der Film werden, der alle Oscars einsackt. Ähnlich wie damals bei „Chicago“, der überraschend 6 Oscars gewinnen konnte inklusive beste Nebendarstellerin. Doch das Echo viel eher negativ aus. Viel mehr ist der Film mit „Judy“ aus dem Jahre 2020 zu vergleichen, der den Oscar für die beste Hauptdarstellerin gewinnen konnte. Im Ganzen kam aber auch der Film gemischt bei den Kritikern und Zuschauern an. „The United States vs. Billie Holiday“ fällt da in die genau gleiche Kerbe. Das Gruselige ist, er macht sogar das genau Gleiche richtig als auch falsch. Fangen wir aber erst einmal bei Kleinigkeiten an.

Was wir aus der Welt schaffen können, ist die fantastische Optik des Filmes. Es ist zwar alles sehr dunkel Braun, aber es fühlt sich passend zur Thematik an. Das Produktionsdesign ist eines der großen Stärken des Filmes. Sein es alte Säle, Kneipen oder Hotels. Alles wirkt zur Zeit passend und geht fließend ineinander über. Auch die Musik und das generelle Kostümdesign darf sich hören als auch sehen lassen. Hier wurden keine Kosten und Mühen gescheut, dem Zuschauer die Illusion zu geben, dass es wirklich in den 40ern ist.

Das stärkste Argument neben den guten technischen Aspekten ist aber Andra Day als Billie Holiday. Ähnlich wie bei „Judy“ aus dem letzten Jahr steht der Film nur deswegen, weil Day sich sichtlich das Leben aus dem Körper spielt. In einer ihrer ersten Filmrollen zeigt sie, dass sie fast schon eine bessere Schauspielerin als Sängerin ist. Mit kleinen Nuancen wechselt sie kinderleicht zwischen komplett wütend, tot, traurig und extrem high hin und her. Einige Momente können nur dadurch an Intensität dazu gewinnen, weil sie es zulässt. Durch sie funktioniert dieser Film noch gerade so. Um es an einer Sequenz fest zumachen, hier ein kleiner Spoiler. Es gibt eine Art Traumsequenz, die sie durchläuft, an dem eine Person an einem Baum aufgeknüpft wird. Diese Szene geht ungefähr 4 Minuten und ist ohne sichtlichen Schnitt gefilmt. Es ist erstaunlich, wie einfach es Day offenbar fällt, so simpel und kinderleicht zwischen den Emotionen hin und her zu switchen. Genau so etwas macht eine tolle Darstellerin aus. Es einfach wirken lassen, etwas Schweres zu vollbringen. Doch ich bin mir auch sicher, dass sie keine Chance auf die Oscars haben wird. Die Gegnerinnen sind da einfach viel zu stark.

Doch wenn wir jetzt schon einmal alle positiven Aspekte abgedeckt haben, müssen wir uns auch einmal die Schattenseite ansehen. Die leider größer ausfällt als die Helle. „The United States vs. Billie Holiday“ ist inhaltlich kein gutes Biopic. Das muss einfach gesagt werden. Drehbuchautor Suzan-Lori Parks schafft es im Drehbuch nicht, einen richtigen Fokus zu legen. Viel zu selten wird der eigentliche Kampf gegen das Land und das FBI in den Fokus gehoben. Viel zu oft ist ihre Beziehung zu einem Cop und ihr Drogenkonsum im Mittelpunkt. Es gibt eigentlich nur zwei richtige Sequenzen, in denen wir ein Gerichtssaal von innen sehen. In den ganzen 130 Minuten schwingt immer das Gefühl des verlorenen Potenzials mit. Hier und da hätte man den Film einkürzen oder den gesamten Fokus umlegen können. Durch die Romanze und den generellen Drogenkonsum fällt es irgendwann schwer, diesen Film interessant zu finden. Auch Billie Holiday wird zunehmend unsympathisch, da sie sich ohne Konsequenzen durch den Drogensumpf robbt und von einem Mann nach dem anderen verarscht oder verprügelt wird. Regisseur Lee Daniels kriegt bei der Inszenierung auch keinen guten Spagat zwischen den zwei Welten von Holiday hin. Dabei hat er eigentlich das Talent, solch ein Thema emotional und wuchtig zu verpacken. Das hatte er 2010 schon bewiesen in dem Oscar ausgezeichneten Meisterwerk „Precious“.

 

Fazit

„The United States vs. Billie Holiday“ funktioniert nur durch seine tolle Optik und durch Andra Day als Billie Holiday, die hier eine Glanzleistung abliefert. Das alles wird aber von dem falschen Fokus des Drehbuchs überschattet. Mit zunehmender Laufzeit wird das Thema und Holiday immer uninteressanter und lassen einen beißenden Nachgeschmack des verlorenen Potenzials zurück.

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6.1

Story

4.5/10

Schauspiel

8.0/10

Kamera

6.5/10

Inszenierung

5.0/10

Sound

6.5/10

Pros

  • Andra Day ist unfassbar
  • Tolles Produktionsdesign
  • Musik ist ein Traum

Cons

  • Falscher Fokus der Story
  • Eigentliche Prozesse kommen kaum vor
  • Der Fakt des Kampfes gegen den Staat wird kaum thematisiert
  • Gut 20 Minuten zu lang
  • Baut kein wirkliches Interesse zu den Charakteren auf

geschrieben am: 26. April, 2021 um 3:00 pm

Autor:

Johnny