Kritik: The Salesman | Wie verdient ist der Oscar als bester internationaler Film wirklich?

2017 gewann „The Salesman“ von Regisseur Asghar Farhadi überraschend den Oscar als besten internationalen Film. Dabei war eigendlich „Toni Erdmann“ der Hauptfavorit. Wie verdient ist dieser Oscar wirklich und spielte Politik eine wichtige Rolle bei der Vergabe des Oscars? Das verrate ich euch in meiner Kritik.
Inhalt
Kritik
2017 war ein kurioses Oscar-Jahr. „Suicide Squad“ gewann den Oscar für das beste Make-up, der beste Film Oscar wurde erst an den falschen Film vergeben und „Toni Erdmann“ unterlag überraschend „The Salesman„. Dabei galt der deutsche Oscar-Beitrag schon als gesetzter Gewinner. Es war also eine sehr überraschende Entscheidung der Academy, den Oscar an einen ganz anderen Film zu geben, der auch nicht so gut bei den Kritikern abgeschnitten hatte wie der eigentliche Favorit. Doch ist „The Salesman“ gleich der schlechtere Film? Das kann man klar mit einem Ja beantworten. Was „The Salesman“ aber keineswegs zu einem schlechten Film macht.
Eigentlich kann und sollte man „The Salesman“ niemals mit „Toni Erdmann“ vergleichen. Die Filme sind thematisch komplett anders konzipiert und geschrieben. „Toni Erdmann“ ist eine fast drei stunden lange Tragikomödie, während „The Salesman“ ein ziemlich deprimierendes und wahnsinnig intensives Charakterdrama darstellt. Beide sind auf ihre Art und Weise ganz besonders. Doch wenn es zu den Oscars kommt, wo beide Filme in der gleichen Kategorie nominiert war, dann muss man doch den Vergleich anstellen, welcher besser ist. „The Salesman“ zieht da den kürzeren. Ist dennoch aber ein kleines Meisterwerk. Das liegt an der Qualität, die „Toni Erdmann“ vorlegt. Einen der besten deutschen Filme aller Zeiten das Wasser zu reichen, ist schon eine schwere Aufgabe, die man nicht so leicht hinbekommt. Ich möchte jetzt auch nicht die ganze Zeit einen Vergleich zwischen Kartoffeln und Bananen anstellen. Kommen wir doch einfach mal zu den wirklichen Qualitäten von „The Salesman“.
Das, was den Zuschauer als aller Erstes auffallen dürfte, sind die Darsteller. Shahab Hosseini und Tarane Alidousti bilden ein so charismatisches wie emotional aufgeriebenes Beziehungskonstrukt, was durch ein traumatisches Ereignis erst recht aus der Bahn geworfen wird. Diese langsame, aber stetige Wandlung der Charaktere ist eines der großen Stärken des Filmes. Das vereint mit zwei Darstellern, die sich sichtlich die Seele aus dem Körper spielen, erzeugen diese Darsteller und ihre Charaktere einen Sog, den man sich schlecht entreißen kann. Besonders das letzte Drittel, in dem der Film das Maximum aus Spannung und Atmosphäre rausholt, verlangt von allen Beteiligten nur das größte ab. Ein wahnsinniges Schauspielkino, für das es definitiv auch gerne Oscar-Nominierungen hätte geben dürfen.
Der Anfang und das Ende dieses Filmes gehörten zu dem besten, was ich mir in der jüngeren Vergangenheit angesehen habe. Die Einleitung der Charaktere wird langsam nach und nach vorgenommen. Die ehemalige Mieterin wird eingeführt, der Vermieter und natürlich unsere Protagonisten. Es vergehen fast 40 Minuten bevor der erste Dominostein in Form des traumatischen Ereignisses stattfindet. Dort wird sich dann primär um die beiden Charaktere gekümmert, weswegen der Film mehr in ein Beziehungsdrama kippt als in einen atemlos machenden Thriller. Erst im letzten Drittel löst dieser Film mit geschickt eingebauten und kaum vorhersehbaren Twists ein Beben aus, der lange nach dem Abspann noch im Kopf bleibt. Doch selbst wenn das alles weiterhin hängen bleibt, und ich verspreche euch, das wird es. Dann gibt es da aber noch immer den Mittelteil, der nicht so recht zu Anfang und Ende passen möchte.
Die Charaktere werden dafür viel zu sehr in ein typisches Betroffenheitsdrama Korsett gedrängt, welches sichtlich schwerfällt abzulegen. Es geht immer mehr um das Ergebnis, welches passierte, um eine Beziehung, die dagegen ankämpfen muss und gegen das Trauma, welches sich in die Seele gebrannt hat. So etwas kann interessant und spannend sein. Wenn der Rest der Handlung dazu passt und es nicht wie ein Fremdkörper wirkt. Leider ist das hier der Fall. Viel zu sehr hängt man sich an dem einzigen Punkt des Filmes auf, wo er schwäche zeigt. Wo er versucht, in die Seele der Charaktere zu tauchen, sich aber daran verhebt es gut genug mit dem Anfang und dem Ende zu verknüpfen. So fühlt sich der Film viel zu sehr wie ein Dreiakter an, was auch hätte anders sein können.
Fazit
„The Salesman“ ist überragendes Schauspielkino aus dem Iran, der mit seinem toll geschrieben Anfang und seinem sowie spannenden und atmosphärisch dichten Finale im Gedächtnis bleibt. Einziger Wermutstropfen bildet da der Mittelteil. Der zu sehr in typische Betroffenheitsdrama Gefilde abfällt und sich daraus nur sichtlich schwer heraus kämpfen kann.