Kritik: Stowaway | Im All hört dich niemand diskutieren

Psychologische Sci-Fi-Thriller sind aktuell in aller Munde. Doch ist „Stowaway“ der zweite Film von „Artic“-Regisseur Joe Penna wirklich gut?

 

Inhalt

 

Auf dem Weg zum Mars entdeckt die aus drei Personen bestehende Crew eines Raumschiffes einen blinden Passagier, der zwar nicht absichtlich an Bord ist, aber dennoch den Gruppenfrieden gefährdet: Michael (Shamier Anderson) ist ein Ingenieur, der eigentlich nur beim Start helfen sollte, doch dabei verletzt und an Bord gefangen wurde. Michael ist entsetzt als er feststellt, dass er sich im Weltall befindet, doch mittlerweile sind sie zu weit von der Erde entfernt und mit den knappen Ressourcen ist eine Rückkehr zum Heimatplaneten ohnehin ausgeschlossen. Doch das wahre Problem ist, dass der Sauerstoff an Bord nur für drei Personen reicht, weil Michael ein wichtiges Gerät zur Luftreinigung beschädigt hat. Während die Kommandantin Marina (Toni Collette) und der Schiffsbiologe David (Daniel Dae Kim) für eine gewaltsame Lösung des Problems plädieren, scheint die Ärztin an Bord, Zoe (Anna Kendrick), die einzige Stimme der Vernunft zu sein…
 
 
 

Kritik

Filme wie „Gravity“ ebneten psychologischen Sci-Fi-Filmen wie „Ad Astra“,High Life“ oder auch „The Martian“ den Weg. Denn eines haben die Filme gemeinsam. Sie haben eine Spannung, die sich direkt auf den Zuschauer überträgt, ohne dabei zu viel Action zu präsentieren. Es geht um Atmosphäre. Ein ganz spezielles Gefühl. „Stowaway“ ist ein weiterer Film in der langen Liste solcher Genre-Vertreter. Doch ist der Film wirklich gut? Kann Regisseur Joe Penna, der zuvor mit „Arctic“ einen sensationellen Survival-Thriller hingelegt hat, sein Niveau aufrecht erhalten? Die Frage lässt sich recht simpel erklären. Doch dafür müssen wir etwas weiter ausschweifen.

Was macht „Stowaway“ besonders? Warum sollte ich mir gerade den Film ansehen und nicht andere in dem Sub-Genre? Der Grund liegt bei diesem Film auf der Hand. Der Cast ist nämlich sensationell. Anna Kendrick, Toni Collette, Daniel Dae Kim und Shamier Anderson. Hier sitzen vier hochkarätige Darsteller aufeinander und spielen sich gegenseitig an die Wand. Dabei ist gerade ein Akteur so gut, dass man eigentlich sagen könnte, sie dominiert diesen Film. Toni Collette! Sie ist zwar eigentlich in allen Filmen gut und hätte für „Hereditary“ den Oscar bekommen müssen, zeigt aber hier wieder ihre Vielseitigkeit. Mit einer Ruhe und Bedächtigkeit gibt sie diesem recht engen Set eine eigene Atmosphäre. Gerade sie ist es, die ähnlich wie Sigourney Weaver in „Alien“, die dem Film einen Stempel aufdrückt. Einen großen roten, wenn wir mal ehrlich sind. Denn zwar ist Kendrick, Anderson und Kim wirklich gut, doch sie spielt hier alle gnadenlos an die Wand. Mit ihren sensationellen Mimiken, ihrer Gestik und der Betonung der Wörter. Sie zeigt hier nicht mehr und nicht weniger, als dass sie eine der besten Schauspielerinnen ist, die Hollywood zu bieten hat.

Auf der inszenatorischen Ebene hat „Stowaway“ hingegen seine Probleme. Zwar schafft Joe Penna eine konsequent gute Atmosphäre der Beengtheit einzufangen, wirklich spannend ist der Film im Mittelteil aber nicht wirklich. Dafür fehlt es an Hintergrundinformationen zu den Charakteren. Sie sind stellenweise viel zu einfach gestrickt und entwickeln sich kaum weiter. Das ist bei allen ein großes Problem. Warum sollte ich irgendwann groß mitfühlen, wenn mir der Ausgang aller Charaktere irgendwann egal ist? Das löst bei mir leider keine Spannung, sondern Ermüdungserscheinungen aus. Zudem wird der Fokus stellenweise falsch gelegt. Es wird mehr auf das Wissenschaftliche gesetzt als auf das Zwischenmenschliche. Es dreht sich viel darum, wie man Sauerstoff macht, um nicht zu sterben. Wie können wir zu viert bleiben, so das keiner geopfert werden muss? Es sind Fragen, auf die es auch Antworten gibt, die leider nie gezeigt oder besprochen werden.

Das ist die nächste Schwäche von „Stowaway„. Es wird viel mehr behauptet, als wir sehen. Es wird uns eingetrichtert, dass der Sauerstoff, den David macht, wirklich reicht. Woher wissen wir, was er da wirklich macht? Das einzige, was wir sehen, ist, dass sich über große Tetrapacks verfärben. Das bringt mir ehrlich gesagt auch nicht viel, denn weder wird es erklärt noch richtig gezeigt. Das Gleiche ist mit dem zerstörten Teil des Schiffes. Aufgrund des blinden Passagieres ist das Schiff kaputt. Der Sauerstoff wird immer knapper. Wieso ist aber der Sauerstoff weg? Was hat er da kaputtgemacht? Und wenn das nur ein kleines Rohr ist, wieso können sie es nicht einfach reparieren? Es ist viel mehr unlogisch und unüberlegt als klug und spannend. Damit stellt sich „Stowaway“ immer wieder selber ein Bein.

An den anderen Stellen wie Kamera, Set-Design oder Ton kann man nicht viel meckern. Visuell ist der Film wirklich stark. Das Set ist dicht, eng und atmosphärisch. Die Weiten des Weltalls werden toll eingefangen und das Sounddesign lässt es umso realistischer wirken. Besonders die Kamera, die auch die Enge des Schiffes einfängt, gehört zu dem besten Dingen des Filmes. Man kann hier zwar nicht anhalten und die Bilder an die Wand hängen, aber es sorgt dafür, dass die Location umso unangenehmer, dichter und greifbarer wirkt. Das löst eine leichte Klaustrophobie aus und das macht den Film dann wieder ein Stückchen stärker.

 

Fazit

„Stowaway“ ist ein toll gespieltes, visuell berauschendes und atmosphärisch dichtes Kammerspiel im All. Wenn der Film doch logischer wäre und mehr Dinge zeigen sowie erklären würde, dann wäre uns geholfen. Denn so hängt sich der Film in der Mitte auf und verliert durch den falschen Fokus zu viel Spannung und Charisma.

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6.5

Story

6.0/10

Schauspiel

7.5/10

Kamera

7.0/10

Inszenierung

5.5/10

Sound

6.5/10

geschrieben am: 1. Juli, 2021 um 12:49 pm

Autor:

Johnny