KRITIK: Nur Gott kann mich richten | Brutaler und kompromissloser Gangster-Thriller aus Deutschland

Meist sind die deutschen Filme eher unlustige Komödien a la Schweiger/Schweighöfer oder „zweiter Weltkrieg“-Dramen, die wir schon zu Haus gesehen haben. „Nur Gott kann mich richten“ ist anders und zeigt, dass wir Deutschen auch echt gute Filme machen können.
INHALTSANGABE
Ricky (Moritz Bleibtreu) hat vor Jahren nach einem misslungenen Überfall den Kopf hingehalten für seinen Bruder Rafael (Edin Hasanovic) und seinem guten Freund Latif (Kida Khodr Ramadan). Nachdem er endlich aus dem Knast entlassen wurde, soll Ricky für seine lange Leidenszeit hinter Gittern entschädigt werden: Latif bietet ihm einen letzten und vermeintlich todsicheren Coup an, der allen viel Geld einbringen könnte. Ricky zögert zunächst, willigt dann aber doch noch ein und holt sogar Rafael wieder mit ins Boot. Bei ihrer letzten Nummer scheint zunächst alles wie am Schnürchen zu laufen, doch dann taucht die Polizistin Diana (Birgit Minichmayr) auf und macht den Jungs einen Strich durch die Rechnung. Von nun an beginnt ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel, das alle in den Abgrund reißen könnte…
KRITIK
In Deutschland sind gute Genre-Filme absolute Sammelware. Doch hin und wieder kommen wir in den Genuss von richtig tollen Perlen wie beispielsweise „Toni Erdmann“ oder auch „Tigermilch“. Mit „Nur Gott kann mich richten“ bekommen wir direkt im ersten Monat des noch jungen Jahres einen großartigen deutschen Film vor die Nase gesetzt, der es in sich hat.
Als allererstes möchte ich über den herausragenden Cast sprechen. Als Hauptdarsteller wurde Moritz Bleibtreu besetzt, der, wie ich finde, eine Geheimwaffe darstellt, was den deutschen Film angeht. Er spielt jede Rolle mit voller Hingabe und immer schafft er es, seinen Charakteren die nötige Tiefe und Schärfe mitzugeben. Ich meine, kaum einer seiner Filme ist ein Flop. „Lammbock“, „Das Experiment“ oder auch „Stereo“ sind starke deutsche Thriller, die vor allem durch Bleibtreu besonders sehenswert sind. Genau so ist es auch bei „Nur Gott kann mich richten“, der sich nahtlos zu seinen großen Filmen dazu reiht. Seine Rolle hat die nötige Tiefe und Wucht, die sie auch benötigt. Dazu kommt, dass er wirklich komplett in die Rolle eintaucht und wir das Gefühl haben, dass er Ricky sei. Er verschmilzt quasi mit seiner Rolle, was noch einmal dazu beiträgt, dass wir seine Darbietung absolut ernst nehmen können.
Neben Bleibtreu haben wir noch Kida Khodr Ramadan, der wie eigentlich immer die gleiche Rolle spielt. Er spielt den Gangster Latif, der sich um die meisten Dinge in der Gegend kümmert. Er ist so gesehen der Pate von Frankfurt, wenn man es etwas übertrieben ausdrucken möchte. Seine Rolle ist böse, tiefgreifend und fies. Dennoch habe ich immer wieder das Gefühl gehabt, dass dort noch etwas mehr in seinem Charakter steckt, was nicht richtig zum Vorschein kommt. Dennoch, seine Darstellung von Latif ist herausragend und auf den Punkt, nur hätte Ramadan auch noch die kleineren Details etwas heraus spielen können.
Des weiteren haben wir auch noch Edin Hasanovic und einen wundervollen Peter Simonischek im Cast, die eigentlich nichts falsch machen. Es ist jetzt sehr subjektiv, aber die Stimme von Edin hat mir nicht wirklich gefallen und ging mir etwas auf die Nerven, aber da kann man ja keine Punkte für abziehen, dafür kann er ja nichts. Dennoch muss man auch hier sagen, dass er eine souveräne Leistung abliefert, die zwar nicht an Bleibtreu und Ramadan heran kommt, dennoch gut unterhält und irgendwann auch dafür sorgt, dass wir ihn in unser Herz lassen, weil er einfach menschlich und echt wirkt. Bei Peter Simonischek ist es zum Beispiel etwas anderes. Seine Rolle wirkt fast immer auf den Punkt. Nur in kleineren Momenten kann man ihn nicht ganz einordnen. Als dementer Vater von Ricky macht er aber in den wenigen Momenten, in denen wir ihn sehen, eine sehr gute Figur.
Für mich spielt aber Birgit Minichmayr die beste Rolle im Film. Sie ist eine Polizistin, die ihren Job schon einige Jahre professionell ausübt. Doch ihre Tochter ist krank und braucht 30.000 Euro, um sie auf der Spender-Liste weiter oben eintragen zu lassen, sonst ist die Gefahr zu hoch, dass sie keinen Spender findet und stirbt. Ihre Rolle geht dem Zuschauer unfassbar nah. Je länger der Film geht, desto mehr fiebern wir mit ihr mit. Besonders in den fürchterlich harten Sequenzen gegen Ende des Filmes können wir fast nicht mehr auf die Leinwand schauen, da es so hart und heftig zur Sache geht. Ihr Rolle hat den meisten Input und spielt diese Mutter mit voller Hingabe. Seit langer Zeit habe ich keine weibliche Darstellerin in Deutschland mehr gesehen, die ihre Rolle mit so einer unfassbaren Präzision spielt.
Zur Inszenierung des Filmes muss man auch nicht viel mehr sagen. „Nur Gott kann mich richten“ ist ein höllisch spannender Thriller, der von der ersten Minute fesselt. Allein der Anfang des Filmes zieht uns als Zuschauer direkt in den Film. Wie alle Charaktere danach miteinander interagieren und umgehen, ist auf den Punkt geschrieben. Klar gibt es einige kleinere Momente, wo man sich denkt, das würde so gar nicht ablaufen oder die Macher haben einfach etwas zu sehr übertrieben, um die Spannung noch etwas mehr anzuziehen. Aber trotzdem, der Film schafft das, was er wollte. Nämlich ordentlich Spannung aufzubauen und uns mitzureißen. Auch zur Inszenierung zählt für mich der Schnitt und die Charakterentwicklung. Als Erstes rede ich über den Schnitt, der hier recht gut funktioniert. Klar es ist schnitt-technisch nicht auf einem Level wie ein La La Land oder ein Godfather (um einmal genrespezifisch zu bleiben), aber es tut seinen Zweck und wir haben durch den Schnitt nie das Problem, dass etwas vorhersehbar ist. Das macht der Film nämlich von sich schon falsch.
In einigen Momenten macht der Thriller nämlich massive Fehler. Der Film verrät sich und wird in einigen Sequenzen vorhersehbar. Zum Glück aber, sind diese vorhersehbaren Elemente nur einzeln und gering im Film verteilt, so dass es nicht stark ins Gewicht fällt. Was aber ab und an ins Gewicht fällt ist die Charakterzeichnung, die öfters den Charakter in sehr genretypische Momente führt, die wir leider als Zuschauer nicht so toll finden. Das heißt auf deutsch, dass die Charaktere so handeln, wie wir es als Zuschauer auch erwarten. Also leider sehr klischeehaft und nicht wirklich originell. Hier hätte man beim Drehbuch noch etwas feilen können, denn das trügt den Eindruck am Ende doch ein klein wenig.
Als allerletztes möchte ich noch einmal auf die technischen Aspekte eingehen. Vom Kostüm, der Ausstattung und Beleuchtung passt hier eigentlich alles. Vor allem die Kamera hat mir sehr gut gefallen. Das hauptsächlich deswegen, weil der Film nicht aussieht wie ein typisch deutscher Film nun einmal aussieht. Das hat mir sehr gut gefallen. Außerdem werden Szenen eingefangen die einem nachhaltig im Kopf bleiben, was auch ein Argument dafür ist, wie hervorragend die Kameraarbeit eigentlich ist. Ich meine, wer erinnert sich an eine Szene mit beschissener Kamera arbeit? Genau, keiner. Aber auch auf Seiten des Sounds und der Filmmusik ist alles auf einem guten Level. Also hier haben wir wirklich nichts an dem Film auszusetzen.
FAZIT
„Nur Gott kann mich richten“ ist ein harter, brutaler und toll gespielter deutscher Gangster-Thriller, der von der allerersten bis zur letzten Minute fesselt. Nur bei der Charakterentwicklung gibt es einige Probleme sowie Vorhersehbarkeiten seiten des Drehbuchs. Am Ende ist „Nur Gott kann mich richten“ aber ein schweißtreibender, im Mark erschütternder deutscher Thriller, den wir so schon ganz schön lange nicht mehr aus diesem Land gesehen haben.