Kritik: Nomadland | Der bisher beste Film des Jahres 2021

Drei Oscars darunter Beste Regie, beste Hauptdarstellerin und bester Film. Ist „Nomadland“ wirklich ein so guter Film? Das verrate ich euch in meiner Kritik

 

Inhalt

Fern (Frances McDormand) hat vor einiger Zeit ihren Mann verloren, aber dennoch ist sie in dem gemeinsamen Haus in Empire, Nevada wohnengeblieben. Nun allerdings hat die United States Gypsum Corporation, ein Baustoffhersteller und der einzige große Arbeitgeber der Kleinstadt, dichtgemacht und es gibt keine Jobs mehr. Nicht einmal eine Postleitzahl hat Empire mehr, weswegen Fern in ihrem kleinen Transporter lebt, durch die Vereinigten Staaten fährt und sich von Job zu Job treiben lässt. Sie besteht allerdings darauf, dass sie nicht obdachlos, sondern einfach nur hauslos ist. Fern könnte aufgrund ihrer Qualifikationen jederzeit wieder ein normales Leben führen, doch sie bevorzugt das Leben auf der Straße mit seiner Freiheit, den anderen Menschen und den vielen Bekanntschaften, die man irgendwann wiedertrifft. So arbeitet sie etwa in einem Versandlager, bei der Ernte oder in einer Wohnwagensiedlung…

 

Kritik

Die Oscars 2021 waren die mit den niedrigsten Einschaltquoten seit Jahren. Kaum einer hatte die Filme bereits gesehen. Auch unter Kritikern wurden Filme wie „The Father“ oder „Judas and the Black Messiah“ viel zu spät gezeigt. Kein Wunder also, das die Bereitschaft, sich die Show anzusehen, nicht vorhanden war. Was aber viele verpasst haben, waren die Auszeichnungen für Nomadland. Ganze drei Staturen konnte der Film für sich entscheiden. Doch hat Chloe Zhao als zweite weibliche Regisseurin den Oscar verdient? Ist es gerecht, Frances McDormand ihren dritten Oscar zu geben? Und ist „Nomadland“ am Ende des Tages auch wirklich der beste Film?

Um diese Frage nicht vor dem Fazit final zu beantworten, gehen wir einmal die wichtigen Kategorien von Anfang bis Ende durch. Starten wir doch einfach einmal mit der Handlung. Es geht um Fern, die nach dem Tod ihres Mannes in ihr Van zieht und durch die USA fährt. Sie hält an Campingplätzen und verbringt viel Zeit mit anderen Nomaden und arbeitet gelegentlich bei Firmen, die ein sogenanntes nomad program fahren. Dabei lernen wir ganz viele unterschiedliche Menschen kennen, die unterschiedliche Schicksale durchlebt haben. „Nomadland“ ist halb dokumentarisch, da bis auf Frances McDormand und David Strathairn kaum richtige Darsteller vorkommen. Die meisten Nomaden sind auch in Wirklichkeit Nomade und gerade das ist interessant. Die Handlung an sich ist sehr simpel, die emotionale Tragweite die durch die Geschichten der echten Menschen übermittelt wird ist der absolute Wahnsinn. Selten war solch ein Thema so greifbar und nachvollziehbar. Gerade weil Chloe Zhao etwas davon versteht Menschen zuzuhören und sie erzählen zu lassen. Nicht die eigentliche Story ist hier das besondere sondern die Menschen, die ihre Geschichten erzählen.

Eine der anfänglichen Fragen war, ob Frances McDormand wirklich ihren dritten Oscar für die Rolle der Fern verdient hat? Die simple und einfache Antwort ist ja. Klar, ich hätte gerne Carey Mulligan gesehen, denn sie hat die vielschichtigere Darstellung abgeliefert, aber McDormand spielt nicht nur, sie lebt diese Rolle. Nach wenigen Minuten ist es gar nicht mehr zu unterscheiden ob sie spielt oder nicht. Sie verschwimmt mit ihrer Rolle. Auch alle anderen Darsteller, egal ob professionell oder nicht, sind sensationell. Wie anfänglich gesagt, bis auf Strahairn und McDormand gibt es kaum professionelle Darsteller. Das wirkt nicht nur authentisch, sondern ist auch toll inszeniert. Zhao versteht nicht nur etwas davon, Emotionen zu kreieren, sondern auch davon, Menschen, die nicht schauspielern, eine fantastische Leistung herauszulocken, die weder aufgesetzt noch unglaubwürdig wirkt.

Es ist also, wie ich finde, sehr verständlich, das Chloe Zhao den Oscar für die beste Regie gewonnen hat. Wer solchen Menschen so eine Leistung aus den Rippen leiert und dabei eine extrem emotionale, nachvollziehbare Geschichte erzählt, die bis in die kleinste Sequenz perfekt inszeniert ist, dann hat man diese Auszeichnung auch mehr als verdient. „Nomadland“ ist ein Film der 108 Minuten pure Emotionen auslöst ohne in irgendeiner Weise zu drüber zu wirken. Das wird zusammengehalten und verstärkt mit einem der besten Soundtracks die ich die letzten Jahre gehört habe. Es gibt den gezeigten Szenen eine schwere, eine emotionale Tragkraft die sowohl wunderschön wirkt als auch melancholisch und drückend. Dazu kommen noch Bilder, die in Kombination mit der Musik einen Sog erzeugen, den man sich nicht entziehen kann. Wenn Fern nackt in einem Fluss schwimmt und die tränenreichen Klänge ertönen, dann geht es gar nicht anders. Wir werden von der Gänsehaut gefangen und bis zum Ende nicht mehr losgelassen.

Zudem ist „Nomadland“ auch noch auf den Punkt beendet. Trotz einer so ruhigen Erzählweise fühlt sich keine Szene, keine Gestik und kein gesprochenes Wort zu lang an. Manche Szenen sind so auf den Punkt, dass sie nie mehr erzählen oder zeigen als unbedingt nötig. Besonders die Klammer von dem Anfang und dem Ende ist wunderschön. Besonders die letzte Einstellung lässt einen fragend zurück. Kehrt Fern auf die Straße zurück oder nicht? Doch das ist eine andere Sache. Vielmehr will uns „Nomadlandfragen, ob wir nicht so was auch machen könnten. Wir sind es gewöhnt, ein Dach über dem Kopf zu haben, uns Sachen zu kaufen, die wir wollen. Wir sind besessen nach Konsumgütern. „Nomadland“ löst die Frage aus ob das nötig ist. Ich denke nein und genau das finde ich toll. Der Film löst das Interesse aus, selber auf Reisen zu gehen und genau das finde ich eigentlich das Beste an dem Film. Die Natur, die Freiheit und das eigene Bestimmen auf dem Weg zum Ende der Straße.

 

Fazit

„Nomadland“ ist ein unvergessliches Meisterwerk von Regisseurin Chloe Zhao die Emotionen mit einer solchen Ruhe inszeniert, die kaum zu glauben ist. Der Film ist 108 Minuten lang und keine Sequenz ist zu lang. Er ist sensationell gespielt, visuell traumhaft und bis in die kleinste Sequenz authentisch. Diesen Film solltet ihr unter keinen Umständen verpassen.

0.00
9.2

Story

8.5/10

Schauspiel

9.0/10

Kamera

10.0/10

Inszenierung

9.5/10

Sound

9.0/10

geschrieben am: 5. Juli, 2021 um 10:59 pm

Autor:

Johnny