KRITIK: Mudbound | Glasklarer Kandidat für die Oscars 2018

Zur Oscarverleihung 2016 schaffte es Netflix mit „Beasts of no Nation“ leider nicht in die Nominiertenliste. Dieses Jahr könnte es anders laufen, denn mit „Mudbound“ hat Netflix ein unvergleichliches Meisterwerk produziert.
INHALTSANGABE
Zwei Familien treffen kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Mississippi-Delta aufeinander: Die Familie von Hap (Rob Morgan) und Florence Jackson (Mary J. Blige) bewirtschaftet schon seit Generationen ein Stück Land und versucht sich ein freies, selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Als Afroamerikaner haben sie es dabei im rassistischen Süden der USA jedoch schwer. Die McAllans sind hingegen weiß und gerade erst aus Memphis an das Mississippi-Delta gezogen und müssen sich erst noch mit den unzivilisierteren Gepflogenheiten, dem eintönigen Leben und der harten Arbeit auf einer Farm arrangieren. Dennoch hat Henry (Jason Clarke) weiterhin große Träume für seine Familie, seine Frau Laura (Carey Mulligan) ist hingegen weit weniger glücklich. Als sich zwei aus dem Krieg heimgekehrte Söhne der Familien, Jamie McAllan (Garrett Hedlund) und Ronsel Jackson (Jason Mitchell), vorsichtig anfreunden, scheint eine Eskalation der schwelenden Konflikte unvermeidlich…
KRITIK
Erinnert ihr euch noch an „Beasts of no Nation“ mit Idris Elba als skrupellosen Rebellenführer? Mit diesem Film hat es Netflix geschafft als wahrer Oscar-Konkurent ins Licht zu treten. Mudbound schafft das auch und liefert eine emotionale und zugleich packende Geschichte die den Zuschauer vor allem in der letzten Hälfte einiges abverlangt.
Der erste Punkt über den ich reden möchte ist die darstellerische Leistung der Akteure. Niemand und ich meine mit absoluter Ausnahme niemand in diesem Film spielt weniger als Perfekt. Jason Mitchell als farbiger der sein Land im zweiten Weltkrieg an der Front vertritt macht einen großartigen Job. Man sieht ihm zu jedem Zeitpunkt an wie sehr ihn das Kriegsgeschehen mitnimmt und nicht mehr los läßt. Besonders im letzten, sehr harten Drittel überrascht der „Straight Outta Compton“-Star komplett und legt eine Performance hin die ihm hoffentlich eine Oscar-Nominierung einbringt. Dann haben wir noch Garrett Hedlund der für Amerika als Kampfpilot im zweiten Weltkrieg tätig war. Seine Rolle ist durchzogen mit Selbsthass, Wut und trauer. Besonders die Szenen nachdem er aus dem Krieg wiederkehrt und nachts betrunken durch die Einöde fährt bleiben dem Zuschauer lange im Kopf hängen. Seine Rolle ist zwar nicht die beste denn so gut er auch bis zur hälfte des Filmes spielt, irgendwann nervt es schon wenn er immer und immer wieder betrunken durchs Bild torkelt. Doch auch bei ihm nimmt seine Performance im letzten Drittel mächtig fahrt auf und lässt auch hier Bilder entstehen die einem so schnell nicht mehr aus den Kopf gehen wollen.
Bevor wir mit Abstand zur besten Performance kommen, besprechen wir erst einmal die guten weiteren schauspielerischen Leistungen. So haben wir noch Jason Clarke als Jamie’s Vater. Die Art seines Charakters ist dem Zuschauer nie wirklich klar. Ist er jetzt ein armseliger Rassist oder bemüht er sich mit aller Kraft anders zu sein als sein Vater es war. Seine Rolle passt zwar zu Jason Clarke, und er schafft es auch sie super auszufüllen. Manchmal fehlt es aber an Eindeutigkeit. Heißt kurz gesagt: Seine Rolle ist zu ambivalent. Dann haben wir auch noch Carey Mulligan die eine glanzvolle Leistung auf den Monitor bringt. Viel muss man nicht zu ihr sagen, vielleicht wird diese Rolle die nächste für die sie eine Oscar-Nominierung bekommt. Dann ist da auch noch die Familie von Ronsel Jackon. Rob Morgan spielt den Vater von Ronsel dem nichts wichtiger ist als seine Familie. Er verbringt rund um die Uhr damit, das Feld neu zu beackern, Baumwolle zu Pflücken und für die Familie Geld zu verdienen um sie über die Runden zu bringen. Etwas einseitig seine Rolle aber trotzdem tief emotional und in keiner Sekunde zu übertrieben. Mary J. Blige als Ronsel’s Mutter bringt sehr viel Trauer mit sich. Nachdem ihr Sohn in den Krieg gegangen ist plagen sie Existenzängste die sie bis in die Träume verfolgen. Doch auch als er wieder zurück aus dem Krieg kommt ebbt es nicht wirklich ab. Die Taten die dem Zuschauer im zweiten und dritten Teil des Filmes vor gesetzt werden, lassen vor allen ihren Charakter komplett mitgehen und daran zerbrechen.
Kommen wir jetzt zur besten schauspielerischen Leistung im Film. Was Jonathan Banks als rassistischer Ku-Klux-Klan Anhänger auf die Beine stellt ist eine absolute Jahrhundertdarstellung. Jeder Moment in dem er vor kommt ist Film gold. Sobald die Kamera nah an sein Gesicht ran geht lässt sich das Böse und verbitterte in deinen Augen sehen. Als Zuschauer hassen wir diesen Charakter so Abgrund tief, dass wir uns nichts mehr wünschen als den Tod dieser Person. Jede einzige Bewegung, jede Mimik, jedes Wort was von diesem Mann ausgeht ist bis zum letzten Punkt glaubwürdig und absolut mitreißend. Wenn dieser Mann keine Oscar-Nominierung bekommt grenz das fast schon an ein Skandal. Also liebe Academy Jonathan Banks verdient den Oscar als bester Nebendarsteller!
Kommen wir aber nun zu einer anderen Kategorie und zwar der Kamera. Wie in einem Rassismus Drama üblich ist die Kamera sehr statisch. Viele Kamerafahrten gibt es nicht, dafür wird aber mehr auf nahe Shots gesetzt. Bedeutet das die Kamera immer sehr nah an die Charaktere geht um ihre Mimik und Emotion einzufangen. Das wirkt sich auch deutlich auf die sehr dichte Atmosphäre des Filmes aus und kreiert eine zunehmend bedrückende Stimmung. Besonders das letzte Drittel sorgt durch die Kameraführung für Momente die einem die Nackenhaare aufstellen. Seid also gewahrt: Mudbound ist absolut nichts für zartbesaitete.
Zu guter letzt möchte ich über die Geschichte reden. Wir bekommen die Geschichte Henry und seine Frau Laura erzählt die unbedingt aufs Land ziehen wollen, wovon sie sich ein deutlich besseres Leben versprechen. Parallel wird die Geschichte von Ronsel Jackson und Jamie McAllan erzählt, die sich gerade im Kampf gegen die Deutschen befinden. Der Film zeichnet ein extrem glaubwürdiges Bild des Krieges und des Rassenhassen in den Südstaaten Amerikas ab. Der Film kommt mit unerwarteten und schockierenden Wendungen daher, die dem Zuschauer einiges abverlangen. Das Drehbuch ist besonders dadurch gelungen, dass wirklich jeder Charakter genug Tiefgang bekommt und nicht wie eine Abziehfigur wirkt. Auch im bereich Drehbuch könnte ich mir eine Oscarnominierung sehr gut vorstellen.
FAZIT
Mudbound ist auf jeden Fall eins: Ein absolutes Meisterwerk. Von der Kameraarbeit, über das tadellose Drehbuch bis hin zu den oscar würdigen Schauspielern ist alles bis ins kleinste Detail perfekt. Selten hat mich ein Film so kalt erwischt wie Mudbound. Das einzige kleine Manko ist, dass der Film im zweiten Akt etwas lang wirkt. Das ist aber Meckern auf ganz hohem Niveau und fällt überhaupt nicht ins Gewicht. Jeder der Netflix hat oder auf Anspruchsvolle Filme steht sollte sich Mudbound auf jeden Fall zu Gemüte führen. Einer der besten Filme des Jahres und schon jetzt ein Klassiker!
Pros
- Schauspiel aller beteiligten
- Dritte Hälfte eine offenbahrung
- Film schafft es das man sich betroffen fühlt
- Wunderbar schmutzige Kamera
- Fängt den Krieg mit grauenvoller härte ein
- Jonathan Banks ist der helle Wahnsinn
- Bleibt auch Tage nach dem schauen im Kopf
- Sehr dichte Atmosphäre
- Setting wirkt durchgehend glaubhaft inszeniert
- Nie über oder untertrieben
Cons
- Längen
geschrieben am: 30. November, 2017 um 10:21 pm | zuletzt aktualisiert am 5. Dezember 2017 um 10:21 am
Autor:
Johnny