KRITIK: Midnight in Paris | Atemberaubende und nostalgische Führung durch die Stadt der Liebe

Durch unseren „Scene Talk“-Podcast bin ich auf den Film „Midnight in Paris“ gestoßen. Ich bin kein großer Fan von Woody Allen und habe daher nicht viel erwartet. Doch am Ende wurde ich komplett vom Hocker gerissen. Warum „Midnight in Paris“ ein so wundervoller Film ist, verrate ich euch in der nachfolgenden Kritik.
INHALTSANGABE
Gil (Owen Wilson) ist ein erfolgreicher Drehbuchautor in Hollywood. Doch eigentlich träumt er davon, endlich einen literarisch wertvollen Roman zu veröffentlichen. Gemeinsam mit seiner Verlobten Inez (Rachel McAdams) und deren Eltern verbringt er einen Urlaub in Paris. Das Paar trifft dort auf den alten gemeinsamen Freund Paul (Michael Sheen). Während Gil von dem rechthaberischen Intellektuellen zunehmend genervt ist, hängt Inez an Pauls eloquenten Lippen. Ihren zukünftigen Ehemann verspottet Inez als Träumer, denn Gil ist fasziniert von der Stadt und ihrer Vergangenheit. Am liebsten würde er die Zeit miterleben, in der Paris sich den Ruf als Kulturhauptstadt erworben hat. Er ahnt nicht, dass sich dieser Wunsch schon bald erfüllen wird. Eines Nachts macht sich Gil leicht angetrunken allein auf den Heimweg und steigt in ein geheimnisvolles altes Taxi, das ihn mitten ins Paris der 1920er Jahre bringt. Er sieht sich in ein fremdes Universum katapultiert: in eine Welt, in der Ernest Hemingway (Corey Stoll) machohafte Reden schwingt, Pablo Picasso (Marcial Di Fonzo Bo) von der Kulturkritikerin Gertrude Stein (Kathy Bates) kleingemacht und Scott Fitzgerald (Tom Hiddleston) von seiner Frau Zelda (Alison Pill) in Frage gestellt wird. Dazu schwadroniert Salvador Dali (Adrien Brody) über Rhinozerosse, während Luis Bunuel (Adrien de Van) noch gar nicht weiß, wie man Filme dreht – aber Gil hat schon die Ideen dafür. Jede Nacht bricht der nun in diese für ihn reale Phantasie aus und verliebt sich in die Picasso-Muse Adriana (Marion Cotillard). Natürlich glaubt ihm Inez nicht, als er von seinen Abenteuern mit seinen Helden der Kulturgeschichte erzählt…
KRITIK
Heute werden wir die übliche Bewertungsreihenfolge einmal komplett durcheinander bringen. Denn „Midnight in Paris“ hat einige sehr wunderbare Aspekte, auf die man auf jeden Fall am Anfang eingehen muss. Dazu zählt der herausstechende und wunderbar komponierte Soundtrack. Wir befinden uns in diesem Film im Frankreich des aktuellen Milleniums und teilweise des vergangenen Milleniums. Dabei untermalt die Musik wunderbar nostalgische Momente, die direkt ein warmes und fröhliches Gefühl auslösen. Der Film fängt mit einem dreiminütigen Intro an, in dem nur Teile der Stadt gezeigt werden, untermalt mit wunderschöner französischer Musik. Hätte „Midnight in Paris“ nicht diese wunderbare Musik, dann wäre es nicht der Film, der es heute ist. Also, wenn ihr euch entscheidet, diesen Film anzusehen, dann dreht richtig auf, denn die Musik ist wahrlich herausragend.
Was auch zu der tollen Atmosphäre beiträgt, ist die wunderschöne Kameraarbeit. Paris wird mit einer großartigen Ästethik eingefangen und lässt es von seiner besten Seite erstrahlen. Nach diesem Film will man direkt einen Urlaub in Paris buchen und dort Tage, wenn nicht sogar Wochen verbringen. Dieser Film glänzt und sprudelt nur so vor liebevollen und herzlichen Momenten, die wunderbar mit der Kamera eingefangen werden. Besonders die Szenen innerhalb der Stadt, die hauptsächlich bei Nacht spielen, sehen atemberaubend aus. Darisu Khondji (Die versunkene Stadt Z) schießt so wunderbare Bilder wie man sie von Paris noch nie gesehen hat.
Doch das ist natürlich nicht das einzige, was an „Midnight in Paris“ so überragend ist. Auch das Drehbuch (welches zurecht eine Oscar-Nominierung bekommen hat) ist wahnsinnig gut. Hier wird auf jedes Detail geachtet, jeder noch so kleine Charakter hat genug Fleisch und Tiefgang, dass es nie so wirkt, als seien Charaktere unnötig oder könnten ruhig wegfallen. Alles passt super zum Film. Aber auch die unterschiedlichen ineinander greifenden Zeitebenen sind toll ineinander integriert. So spielt der Film sowohl im 21. Jahrhundert als auch in den 20er-Jahren. Der Film ist eine wahrlich romantische Vorstellung der Kunst. Regisseur und Drehbuchautor Woody Allen gibt seinen Helden der 20er-Jahre eine riesige Bühne und feiert sie komplett ab. Das wirkt aber nie unnötig überdreht oder in den Himmel gehypet. Es wirkt alles echt, ehrlich und vor allem menschlich. Nur die Moral stört ein klein wenig. Woody Allen setzt die Vergangenheit in den Fokus und stellt sie als das einzig wahre da. „Früher war es besser“ ist die unterschwellige Aussage des Filmes. aber seien wir ehrlich: Wenn es früher genau so war wie in dem Film beschrieben, dann glaube ich Allen nur zu gern.
Die Inszenierung des Filmes ist komplett auf Nostalgie ausgelegt. Klischees werden aus dem Weg gegangen, die Vergangenheit wird wunderbar mit der Jetztzeit verstrickt, so dass es sich wie ein Ganzes anfühlt. „Midnight in Paris“ ist ein riesiger nostalgischer Trip durch die wohl bekannteste Stadt der Welt. Dabei reißt uns Allen mit und scheucht uns durch eine tolle Epoche, stellt uns unterschiedlichste Künster und Autoren vor und drückt dadurch nie zu sehr auf die Kitsch-Taste. Ganz im Gegenteil, der Film hat ein herausragendes Pacing, was nicht gekünstelt oder unnötig in die Länge gezogen wirkt. Woody Allen zeigt mit absoluter Hingabe ein Bild von Paris, in das man sich nur verlieben kann. Inszenatorisch ist Midnight in Paris also weder ein zu kitschiges noch ein zu klischeebehaftetes Abenteuer durch Paris. Das einzige, was ich mir noch gewünscht hätte, ist, dass die Stadt etwas realer wirkt. Ich meine, wir wissen alle, wie Paris eigentlich aussieht. Man hätte schon ruhig einige schmutzige Ecken zeigen können, was dem Film deutlich mehr Ecken und Kanten gegeben hätte.
Das Acting der Schauspieler ist bis in die kleinste Nebenrolle herausragend. Owen Wilson spielt wunderbar realistisch und nachvollziehbar den Autor, der mit seiner Verlobten nach Paris kommt, um gute Ideen für ein neues Buch zu bekommen. Es ist sehr glaubwürdig, was er spielt, und gibt seiner Rolle eine wunderbare Aura. Vor allem wenn ihm etwas sehr kuriose Dinge passieren, dann merkt man ihm wirklich seine Freude an. Wir glauben ihm alles, was er tut, und er fällt nicht als unnötiger Comedian auf wie in anderen seiner Filme. Was mir besonders gefallen hat, ist dieses Authentische in seinen Augen. Er wirkt wie ein Buchautor, der einfach nur auf der Suche nach einer guten, erfolgreichen Buchidee ist. Wir sympathisieren mit ihm, da wir sein Handeln und sein Denken nachvollziehen können. Er ist bodenständig, wirkt nicht abgehoben, sondern eher wie du und ich, und das macht ihn menschlich, was mir persönlich sehr gut gefallen hat.
Zwei der wichtigsten Menschen im Cast sind noch Rachel McAdams, die hier die Freundin von Owen Wilson spielt und Martin Sheen als Gegenbuhler, der irgendwie alles kann und Gil seine Freundin aussticht. Vor allem Rachel McAdams Rolle hat mir sehr gut gefallen, da sie, ähnlich wie Owen Wilsons Rolle, sehr nachvollziehbar und authentisch ist. Sie wirkt sehr bodenständig, wahr und nie abgehoben. Bei Martin Sheen’s Rolle hatte ich so meine Probleme. Er soll den typischen Gegenspieler spielen, der die Freundin von Gil ausstechen soll. Seine Rolle ist leider sehr absehbar und nicht wirklich originell. Es ist für uns als Zuschauer sehr schnell ersichtlich, wo seine Storyline hinlaufen wird. Bei ihm fällt das ganze Überraschende raus und es bleibt nur eine gute schauspielerische Leistung. Man hätte dem Charakter mehr Futter geben können, so dass er nicht eindimensional und klischeehaft wirkt.
Zudem möchte ich noch die Leistungen von Kathy Bates, Tom Hiddleston, Marion Cotillard, Carla Bruni und Alison Pill ansprechen, die hier alle eine Glanzleistung abliefern. Ich möchte nicht sagen, wie diese Leute in dem Film auftreten, aber es hat mir super gefallen, ihnen beim Spielen zuzusehen. Es hat Pepp, eine Menge Energie und einen wunderbaren Flair. Jeder dieser Darsteller drückt ihren Charakteren den Stempel auf, so dass wir uns am Ende fragen „Sahen die wirklich so aus in echt?“, „Hatten die wirklich solche Charaktereigenschaften?“ und wir würden diese Charaktere in echt gerne treffen, da alle so nett und weltoffen rüberkommen. Das hat mir so wunderbar gefallen und macht für mich den Film allein deswegen zu einem riesigen Highlight.
FAZIT
Midnight in Paris ist eine Liebeserklärung an die Stadt Paris. Die Kamera fängt die Stadt in wundervoll fotografierten Bildern ein. Der knallende 20er-Jahre-Soundtrack bringt den nötigen Flair und die Ausstattung ist der absolute Wahnsinn. Genau so sieht es bei den Schauspielern aus, die hier wunderbar authentisch und realistisch ihre Rollen spielen. Wir können super mit ihnen sympathisieren und sie als emotionalen Ankerpunkt verwenden. Nur Kleinigkeiten wie ein sehr klischeehaften Charakter, dass Paris etwas zu sauber wirkt und dass der Film eine etwas komische Grundaussage hat. Dennoch, Midnight in Paris ist ein großartiger Film, den man sich auf jeden Fall einmal ansehen sollte, wenn man auf atmosphärische, wunderschön fotografierte und gespielte Filme steht.