Kritik: Gipsy Queen | Ein deutsch-österreichisches Boxdrama

Höre niemals auf zu tanzen

Inhalt

Die alleinerziehende Mutter Ali (Alina Șerban) lebt mit ihren zwei Kindern und ihrer Freundin Mary (Irina Kurbanova) in einer kleinen Wohnung in Hamburg. Als Jugendliche war Ali Boxerin, wie auch ihr Vater. Als dieser sie aber schwanger in den Ring schickt und Ali dabei beinahe ihr Kind verliert, zerstreiten sich die beiden. Sie ist nun ganz auf sich allein angewiesen und kann ihren Lebensunterhalt nur knapp, durch kleine Jobs, stemmen. Bei einem dieser Minijobs, als Reinigungsaushilfe in einer Kneipe, die dazu als Boxclub dient, stößt sie auf dessen Besitzer Tanne (Tobias Moretti). Dieser erkennt schnell ihr Boxtalent und wird zu ihrem Choach. Ali steigt also wieder in den Ring, um für ihre Kinder zu kämpfen.

Kritik

„Gipsy Queen“ erzählt, wie auch andere Boxdramen, beispielsweise „Rocky“, vom Hochboxen. Das ist sowohl wortwörtlich, als auch sinnbildlich zu verstehen. Die Protagonistin ist eine sozial benachteiligte, alleinerziehende Mutter mit rumänischem Migrationshintergrund. Täglich hat sie mit Existenznot zu kämpfen. Durch das Boxen kämpft sie sich nicht nur unter den Boxern und Boxerinnen hoch, sondern auch in der Gesellschaft. Sie bemüht sich, sich und ihren Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen.

Beeindrucken kann „Gipsy Queen“ definitiv durch das weitdesgehend offene Filmende, in dem ihr Kampf lediglich über die Musik erzählt wird. Ebenso schön wie die Endszene ist auch die Startszene, in der das Leiden der Protagonistin förmlich hautnah rübergebracht wird. Die Boxszenen kommen hier etwas kurz und sind auch nur mittelmäßig gut inszeniert. Das ist aber kein großes Manko an dem Film, denn dieser möchte keineswegs ein Sportfilm sein, sondern viel mehr ein mitreißendes Drama. Er möchte die Geschichte einer jungen Dame erzählen, die versucht, sich nicht von der Gesellschafft unterkriegen zu lassen. Etwas problematisch ist es dafür, dass der Film eigentlich für gesellschaftlich Benachteiligte eintreten möchte, aber diskriminierende Äußerungen der beiden konservativen Figuren Tanne und Udo (Aleksander Jovanovic) nicht ordentlich widerlegt. Stattdessen lässt das Werk sie einfach so stehen, wenn gleicher sich an anderer Stelle gut für die Probleme Minderheiten einsetzt. 

Immer wieder wird das Symbol des Schmetterlings aufgegriffen, der hier für Entfaltung steht. Sie kämpft, gibt alles und lässt alles raus, um sich und ihre Kinder zu retten. Dieses Leitmotiv bringt der Film auch durchaus sehr schön unter. Sei es durch des Vaters Worte, oder in einer Zeichnung. Weniger schön werden dafür Rückblenden eingebracht. Selbige wirken dann doch eher recht plakativ und selbstzweckhaft, weil sie im Grunde belanglos für den Film sind. Die meisten Rückblenden sind Alis Erinnerungen an ihren Vater, so scheint es als wäre dieser ihre Motivation, dabei kann man aus dem Rest vom Film klar herauskristallisieren, dass ihre Kinder Alis Antrieb sind.

Fazit

„Gipsy Queen“ ist ein energiereiches und emotionales Drama. Der Film erzählt eine schöne Geschichte von dem mehrschichtigen Kampf, den Protagonistin Ali führt. Das Werk hat mich durchaus positiv überrascht, da es, vor allem durch die teils tolle Inszenierung und den Einsatz für Minderheiten, punkten kann. Der Zuschauer oder die Zuschauerin kann hautnah in ein Leben am unteren Limit eintauchen.

 

Analyse (Spoiler)

Zu Beginn des Filmes wird Ali endgültig von ihrem Vater und ihrer Roma-Gesellschaft verstoßen. So wird damit gleich in der Anfangssequenz deutlich veranschaulicht, dass sie ganz alleine steht und alleine kämpfen muss. In der Endsequenz wird das ganze dann wieder aufgegriffen, wenn man zuvor noch den Boxkampf zwischen den beiden im Ring Stehenden sieht, kämpft sie nun, in der letzten Szene, alleine. Eigentlich kämpft sie natürlich weiter gegen ihre Gegnerin, doch selbige wird hier bewusst ausgeblendet, um einerseits dieses Alleinstehen und -kämpfen zu verdeutlichen, aber andererseits auch um zu zeigen, dass sie nicht gegen jemanden kämpft, sondern für jemanden. An erster Stelle nämlich für ihre Kinder, daher wird in selbiger Szene auch kurz ihre Tochter Esmeralda (Sarah Carcamo Vallejos) eingeblendet, aber auch eben für sich selbst.

Alis Sieg, der am Ende zumindest nicht bildlich dargestellt ist, wird dafür in einigen anderen Punkten erzählt. So sehen wir des Öfteren Szenen, in denen sie auf einem Berg steht oder nach vorne rennt, was rein visuell schon ihren Triumph darstellt. Dazu erzählt der Song, der in der letzten Szene läuft, über ihren Sieg.

0.00
6.8

Story

8.0/10

Schauspiel

6.0/10

Kamera

6.0/10

Inszenierung

7.0/10

Sound

7.0/10

Pros

  • Tolle Start- und Endsequenz
  • Bewegende Story

Cons

  • Rückblenden sind recht plakativ und selbstzweckhaft
  • Diskriminierungen werden zum Teil nicht entkräftet

geschrieben am: 28. April, 2021 um 10:45 pm

Autor:

Liam