KRITIK: Der König der Löwen (2019) | Die schönste Naturdoku, die gar keine Naturdoku ist

Deutsche Übersetzung oder Englisches Original
Ich habe den Film sowohl auf englisch als auch auf deutsch gesehen und muss insgesamt sagen, dass mir die englische Version besser gefallen hat, aber nicht wegen der Leistung der Synchronsprecher, sondern wegen der Übersetzung. Viele witzige Stellen waren im Deutschen nicht mehr witzig. Man muss allerdings auch dazu sagen, dass ich das Original schon seit Jahren nur noch auf englisch schaue und ihn da fast komplett mitsprechen kann. Wenn man also immer die deutsche Version gesehen hat, gefällt einem die vielleicht besser.
Synchronisation
Es gibt in beiden Sprachversionen der Synchronisation positive und negative Punkte:
Billy Eichner und Seth Rogen machen ihren Job als Timon und Pumbaa einfach grandios. Die Beiden sind besser als im Original und bringen ganz neue Elemente in die Story. Da kommt die deutsche Synchro dann natürlich nicht ran.
Beyoncé hingegen als erwachsene Nala singt zwar selbstverständlich super, aber dadurch verschwindet Donald Glover, der den erwachsenen Simba spricht, in ihrem Schatten und es wirkt sehr unausgeglichen. Das Problem gibt es in der deutschen Fassung dagegen nicht. Da sind beide Rollen gleichstark besetzt.
Animation & Inszenierung
Der König der Löwen ist ohne Zweifel der am Besten animierteste Film, den es bisher gibt. In der Oscar-Kategorie „Beste visuelle Effekte“ ist ihm der Gewinn nächstes Jahr schon sicher. Es ist nicht möglich zu erkennen, ob etwas real ist oder nicht. Allerdings hätte ein bisschen weniger Realismus dem Film sicherlich gut getan. Das Original strotzt ja auch nur so vor bunten Übertreibungen.
Oder man hätte noch mehr auf Realismus gehen müssen. Dafür ist der Film nämlich noch viel zu kinderfreundlich: Es ist nie Blut zu sehen – nicht einmal, wenn die Löwen fressen.
Bei einem Zeichentrickfilm funktioniert so etwas, aber bei einem Film der auf Realismus setzt, bringt es den Zuschauer sehr raus.
Klar, der Film soll natürlich wieder viel Geld in Disneys Kassen spülen, weshalb man alle Altersgruppen mitnehmen will. Allerdings waren in beiden Kinovorstellung, in denen ich war, fast keine Kinder anwesend. Also hat es Disney anscheinend trotzdem nicht richtig geschafft diese mit dem Film anzusprechen.
Außerdem fehlen den Tieren die Emotionen, wodurch man keine Bindung zu ihnen aufbauen kann. Somit ist Mufasas Tod auch nicht traurig oder annähernd so schwerwiegend wie im Film von 1994. Denn auch, wenn Jon Favreau auf die Realismus-Schiene wollte, können Tiere Emotionen zeigen. Zwar nicht alle Tiere und bei weitem nicht so wie der Mensch, aber zumindest Katzen zeigen Gefühle. Man sieht ihnen an, ob es ihnen gut oder schlecht geht oder ob sie Angst haben.
Musik
Alles, was im Prinzip nur aus dem Original übernommen wurde, ist genial. Das Lied „Be Prepared“/„Seid bereit“ wurde aber leider nicht einfach nur übernommen, sondern komplett verschandelt. Sowohl nur der Song, als auch die Inszenierung von diesem, haben nichts mehr mit dem pompösen, fast schon nazihaften Marsch, der Hyänen zu tun.
“The Lion Sleeps Tonight”/“Der Löwe schläft heut nacht“ wurde hingegen kreativ und lustig erweitert.
„The Morning Report“/“Der Morgenreport“ hat es leider auch in das Remake nicht rein geschafft, obwohl der Film eh schon ganze 30 min länger ist.
Fazit
„Ich blickte auf ihn herab. Sah die Angst in seinen Augen.“ – Scar
Zwei Sätze, die Scar in dem Film sagt. Der zweite trifft bloß leider nicht zu, denn man kann genau das – Angst (oder irgendeine andere Emotion) – nicht aus den Augen irgendeines der Tiere ablesen und dadurch fehlt dem Film leider jegliche Tiefe. Die Animationen sind natürlich trotzdem wunderschön und mit Aufnahmen einer Natur- oder Tierdokumentation vergleichbar. Das Beste am ganzen Film sind allerdings Timon und Pumbaa, denn für die lohnt es sich sogar den Film zumindest einmal anzuschauen.
Wenn man das Original allerdings noch nicht gesehen hat, sollte man sich lieber das anschauen.