Kritik: Das finstere Tal | Der deutsche Ausflug ins Western-Genre

Western aus Deutschland bzw. Österreich sind nicht alltäglich. „Das finstere Tal“ aber traut sich an dieses Genre heran. Wie gut ist der deutsche Western wirklich? Wir klären auf.

 

INHALT

Ende des 19. Jahrhunderts kommt ein Fremder namens Greider (Sam Riley) auf einem Pferd und mit einem Maultier in ein verschlafenes und abgelegenes Alpen-Hochtal. Der Pfad dorthin ist wenig mehr als ein halb verwitterter Fußsteig zwischen Felsen. Um dem kalten Winter zu entfliehen, bittet Greider die verschworene Dorfgemeinschaft um eine Übernachtungsmöglichkeit. Da er ihnen als Gegenleistung ein paar Goldmünzen anbieten kann, bringen sie ihn bei der Witwe Gader und ihrer Tochter Luzi (Paula Beer) unter, die kurz davor ist, zu heiraten. Nachdem das Dorf über Nacht eingeschneit wird, stirbt einer der Söhne des Dorfpatriarchen bei einem Unfall. Als danach der Patriarchensohn auf unerklärliche Weise das Leben verliert, kommen Zweifel auf, ob es sich um Unfälle handelt. Sofort wird Greider verdächtigt etwas mit den Unfällen zu tun zu haben. Außerdem machen sich Vermutungen breit, dass ein altes, dunkles Geheimnis der Bewohner etwas damit zu tun haben könnte…
 
 

KRITIK

Berstende Äste, knackendes Eis und Schritte im tiefen Schnee. Der Winter in den Alpen hat gerade erst begonnen. Alles ist ruhig, die Bewohner sind eingestellt auf eine lange und ungewisse Zeit. Plötzlich aber kommt ein Fremder in das kleine Dörfchen und die Stille verwandelt sich langsam in einen tosenden Sturm. Wir alle kennen die Klassiker „Für eine Handvoll Dollar“, „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder auch die Hill/Spencer Filme. Alle haben eine Sache gemein. Sie sind Western. Diese wurden meist in den Staaten oder in Italien produziert und gedreht. Selten kommt diese Art Film aus anderen, da sich einfach nicht getraut wird diese Thematik anzurühren. Zu groß ist die Gefahr sich an solch einem Stoff zu verheben. Regisseur Andreas Prochaska aber hatte den Mut, den Stoff in die Alpen genau genommen Südtirol zu verlegen. Gemischt hat er das ganze mit dem typisch deutschen Heimatfilm und heraus kommt „Das finstere Tal“. Ein in vielen Momenten wahnsinnig spannender Psycho-Western der an die Nieren geht. Doch was macht diesen Western, neben der Tatsache das er aus Österreich ist, so besonders?

Eine der Dinge ist auf jeden Fall einmal die Erzählung. „Das finstere Tal“ pfeift auf typische Konventionen und dreht die Geschwindigkeit des Erzähltempos nach unten. Lähmend, fast schon eingefroren wirkt der Film in vielen Momenten, was sich gekonnt an den Winter, welcher dem Film innehält, anlehnt. So haben wir manchmal als Zuschauer das Gefühl, nichts bewegt sich mehr. Doch dann fängt der Film an den weißen und glitzernden Schnee in ein Blutbad zu verwandeln. In Deutschland hat der Film eine Freigabe ab 12 bekommen, was nicht ganz nachvollziehbar ist. Es passt zwar alles ausgesprochen gut zur Atmosphäre und zum Setting, dich eine höhere Altersfreigabe wäre nicht verkehrt gewesen.Durch die ordentlich ausgespielten Gewaltspitzen wird die Geschwindigkeit des Filmes nicht weiter angetrieben. Ganz im Gegenteil sogar. Der Film schafft es, trotz seiner reißerischen Szenen seinem Stil treu zu bleiben. Verbiegt sich nicht und ist in jedem Moment äußerst authentisch. Nur gegen Ende wird der Film dann doch Rasanter, was dem Rest des Filmes im Nachhinein aber kein Abbruch tut.

Vielmehr sind die ab und an eingestreuten Popsongs eher unangebracht. Diese fühlen sich wie ein Störer an, der dem Film die Spannung, die Unterkühltheit und Atmosphäre raubt. Für manche dürfte es sich auch negativ auswirken, dass die Darsteller mit Österreicher Akzent sprechen. Daran muss man sich zwar gewöhnen, mach den Film aber noch interessanter. Western aus Österreich sind schließlich nicht so alltäglich wie eine schlechte Komödie mit Elyas M´Barek. Der einzige, der nicht in einem Österreicher Akzent spricht, ist Hollywood-Star Sam Riley. Interessant ist es erst einmal sein Auftreten. Niemand hat eine Ahnung, wer er ist. Als namenloser Fotograf kommt er in das kleine, beschauliche Dörfchen. Doch niemand hat ihn wirklich gern da. Im Gegensatz zum Buch wird hier viel abgeändert. Eigentlich gewöhnen sich alle nach einer Zeit an ihn, doch im Film ist das ganz anders. Keiner vertraut ihm und er ist für die Bewohner ein ungebetener Gast, der möglichst schnell wieder verschwinden soll. Seine Rolle im Film ist am interessantesten. Leider ist die Auflösung hinter ihm etwas platt. Im Buch ist es zwar genauso auch, jedoch fühlt es sich etwas ideenlos an. Tut das dem Film weh? Nicht wirklich, nein. Da das gesamte Dorf nicht ganz Klischeearm ist, fühlt sich der Charakter von Sam Riley nicht wie ein Problem an, sondern fügt sich gut in die, in sich selbst schlüssige Welt ein.

Was den Film noch in seiner Wirkung verstärkt ist, die Kamera und der Ton. Anfangs nannte ich einige Dinge, die zum Wintern in den Alpen passen. Berstende Äste oder auch das Wandern in tiefem Schnee. All das hört sich in „Das finstere Tal“ äußerst realistisch an. So fühlen wir uns als Zuschauer viel mehr in die Welt involviert. Auch die Kamera fängt einige so wunderschöne Bilder ein, die man so aus einem Deutschen bzw. österreichischen Film nicht erwarten würde. Einige Bilder könnte man sich direkt so ausdrucken und an die Wand hängen. Visuell ist der Film ein echter Traum.

 

FAZIT

„Das dunkle Tal“ ist ein sensationell gespielter, atmosphärisch dichter und visuell meisterlicher Psycho-Western, der leider in manchen Momenten mit schlechter Musikwahl und mit klischeehaften Charakteren Minuspunkte sammelt. Dennoch bleibt der Film mehr als sehenswert. Das liegt besonders an der ruhigen und fast schon lähmenden Erzählweise und die wirklich packende Atmosphäre. Wer einen wirklich gelungenen deutschsprachigen Film sehen möchte, sollte zugreifen. Ein wunderbares stück Kino.

0.00
7.8

Story

7.5/10

Schauspiel

8.0/10

Kamera

8.5/10

Inszenierung

7.5/10

Sound

7.5/10

Pros

  • Tolle Darsteller, allen voran Sam Riley
  • Kamera arbeit ist Top
  • Langsam und bedächtiger Erzählstil passt zum Setting
  • Gewaltspitzen gehen voll auf
  • Hinten raus unangenehm spannend
  • Soundschnitt und Mixing sind nahezu perfekt

Cons

  • Klischeehafte Figuren
  • Musikwahl in manchen Momenten ungeeignet

geschrieben am: 2. November, 2019 um 12:45 pm

Autor:

Johnny