Kritik: American Son | Kerry Washington auf der Suche nach ihrem vermissten Sohn

Netflix neuer Film „American Son“ basiert auf einem Broadway-Stück. Doch ist der Film nur annähernd so gut wie das Original? Wir klären auf.

 

INHALT

Kendra Ellis-Condor (Kerry Washington) versucht auf einer Polizeistation im Süden Kaliforniens herauszufinden, warum und wohin ihr 18-jähriger Sohn Jamal verschwunden sein könnte. Der Top-Schüler, der kurz davor stand, aufs College zu gehen, war abends mit ein paar Freunden unterwegs, kehrte jedoch nicht zurück und meldete sich auch nicht. Während sie auf ihren ihr fremd gewordenen Ehemann Scott (Steven Pasquale) wartet, wird Kendra von Officer Paul Larkin (Jeremy Jordan) befragt – dem die besorgte Mutter nicht so recht glauben kann, dass seine Fragen, ob ihr Sohn Vorstrafen, einen Straßennamen oder Goldzähne hat, nicht rassistisch gemeint sind. Als dann schließlich Vater Scott, ein weißer FBI-Agent, dazustößt, wird aus der Befragung schnell eine Diskussion darüber, welche Rolle Geschlecht, Hautfarbe und Klassenzugehörigkeit im Polizeiprozedere spielen.
 
 

KRITIK

Polizeigewalt. Ein langes anhaltendes Thema in den Vereinigten Staaten. Meist betroffen: Afroamerikaner. „American Son“ nimmt sich diese Thematik und baut daraus einen intensiven Thriller, der zum Nachdenken anregt. Doch warum tut der Film das? „American Son“ ist eigentlich als ein Theaterstück geschrieben. Beim Ansehen des Filmes wird das spürbar. Alles spielt nur in einem einzigen Raum mit einer Handvoll Darstellern. Nie wird die Welt außen gezeigt, noch wird der Sohn unserer Protagonistin vor die Kamera geholt. All das ist auch nicht nötig, denn dieses Kammerspiel entfaltet seine Stärke einzig und allein durch seine Dialoge. Diese treffen tief in die Seele und machen dieses Drama zu etwas Besonderes. Je mehr Fakten an das Licht der verregneten Nacht kommen, desto unangenehmer, wird es für den Zuschauer selber. Wir leiden mit. Wir verstehen, warum es dieser Mutter und diesem Vater nahe geht. Wir verstehen, was hier vor sich geht und das macht den Zuschauer betroffen.

Dieses Thema wäre aber nicht so packend umgesetzt worden, wenn wir nicht eine wunderbare Hauptdarstellerin hätten. Kerry Washington spielt eine Mutter, die auf einer Polizeiwache festsitzt und wissen möchte, wo Ihr Sohn ist. So einfach herauszufinden ist das jedoch nicht und ihn ihr türmt sich die Angst. Sie ist das Bindeglied zum Zuschauer. Wäre ihre Rolle nicht dermaßen gut gespielt und geschrieben, wäre es für uns weniger ergreifend. Wir haben durch die Nachrichten solche Themen schon oft gehört und gesehen. Beim tausendsten Mal bewegt es einfach nicht mehr, sondern wirft nur die Frage auf, warum ein Mensch einem anderen so etwas antun kann. Warum ist es immer noch ein Problem in Amerika, das schwarze durch die Nacht fahren und Hip Hop Musik hören? Warum ist es noch ein Problem, dass sie ein Aufkleber auf der Stoßstange haben, der eine andere Meinung vertritt, als die der Polizisten? Wir interessieren uns weniger um das Opfer, sondern eher für den Täter und den Tathergang. Hier interessieren wir uns nur für den Jungen. Was ist ihm passiert? Wie lauten die Möglichkeiten die man ergreifen kann, um herauszufinden, was wirklich passierte. All das sehen wir durch die Augen unserer Hauptdarstellerin. Sie macht diesen Film zu etwas Besonderen. Einfach indem sie jede Emotion dem Zuschauer übermittelt, die in Ihr steckt. So ist, die Situation und die Schwere der Angst, die von Ihr ausgeht, spürbar. Wir als Zuschauer leiden mit. Genau so sollte dieses Thema angepackt und rüber gebracht werden.

Doch nicht nur Kerry Washington liefert eine tolle und schwer packende Performance ab. Auch ihr Mann Scott gespielt von Steven Pasquale, weiß zu überzeugen. Seine Rolle ist viel rudimentärer als die, von Kerry Washington. Er spielt, wie eingangs erwähnt, den Mann von Kerry Washington’s Rolle. Er ist ein FBI-Agent, der sich von seiner Frau getrennt hatte. Doch auch er möchte herausfinden, was mit seinem Sohn passiert ist. Die Rolle ist für den Zuschauer weniger greifbar als die von Washington. Er wirkt kühler und strikter. Ein typischer FBI-Agent. Klar ist er aufgewühlt, doch er fällt mehr, als genervter Mann auf der einfach nur nach Hause möchte. Dabei legt sich seine Frau auch gerne mit ihm an. Nicht zuletzt wegen, einigen fragwürdigen Äußerungen, die er tätigt. Er ist die Hilfe zur Thematik. Dank den beiden findet ein Dialog statt und wir, als Zuschauer können uns unsere Meinung bilden. Sind wir auf der Seite des Vaters oder der Mutter? Gegen Ende verschwimmt diese beiden Seiten zwar zu einem, jedoch können wir in vielen Momenten unsere eigene Meinung bilden. Daher ist seine Rolle mit eine der wichtigsten für den Zuschauer.

Am Ende sollte aber eine Sache dringend noch gesagt werden. „American Son“ hat nicht nur positive Argumente. Leider dreht sich die Geschichte sowie die Thematik ab der Mitte im Kreis. Oft werden dieselben Diskussionen neu angefeuert und wieder fallen gelassen. Immer wieder wird über gleiche Dinge gestritten. Immer wieder geraten die Charaktere und wir als Zuschauer in einen Streit. Irgendwann stört das den Erzählfluss und macht den Film langatmiger, als er eigentlich ist. Niemand möchte gerne in sehr kurzer Zeit, dreimal das gleiche Gericht aufgetischt bekommen. Als Kurzfilm der nicht länger gehen würde als 60-70 Minuten, wäre alles noch wuchtiger geworden. So werden wir als Zuschauer oft raus geworfen, weil wir dieselben Diskussionen immer und immer wieder von neuen anhören müssen.

 

FAZIT

„American Son“ ist ein wichtiger und fantastisch gespielter Film mit viel Spannung und Atmosphäre. Würde sich der Film in einigen Momenten nicht so oft im Kreis drehen, würde er noch mehr beim Zuschauer hinterlassen. So regt der Film zwar zum Nachdenken an und macht auch betroffen, doch bringt den Zuschauer auch zu oft aus der Geschichte und der Thematik raus.

0.00
7.1

Story

7.5/10

Schauspiel

8.0/10

Kamera

7.0/10

Inszenierung

7.0/10

Sound

6.0/10

Pros

  • Kerry Washington ist fantastisch
  • Spannend aufbereitete Thematik
  • Dialoge sind großartig geschrieben
  • Limitierte Setting wird gut ausgenutzt
  • Regt zum Nachdenken an
  • Wirkt recht kurzweilig

Cons

  • Dreht sich ab und an im Kreis
  • Ende eher mau

geschrieben am: 3. November, 2019 um 1:38 pm

Autor:

Johnny