Ballon | Das erste Thriller-Drama von Michael Bully Herbig

Oft genug haben wir gehört, wie surreal es ist, dass Michael Bully Herbig einen ernsten Film dreht. Doch ob Bully dem Thriller-Drama Genre gewachsen ist, erfahrt ihr in der nachfolgenden Kritik.
INHALT
Die Familien Strelzyk und Wetzel leben in der DDR und wollen weg. Im Sommer 1979 ist es so weit: Nach zwei Jahren harter Arbeit starten Peter (Friedrich Mücke), seine Frau Doris (Karoline Schuch) und ihre beiden Kinder (Jonas Holdenrieder und Tilman Döbler) sowie das Ehepaar Günter (David Kross) und Petra (Alicia von Rittberg) mit seinen zwei Söhnen (Ben Teichmann und Christian Näthe) endlich ihren Fluchtversuch in einem selbstgebauten Heißluftballon. Doch die Flucht aus ihrer Heimat in Thüringen endet kurz vor der innerdeutschen Grenze, als der Ballon abstürzt. Die beiden Familien arbeiten fieberhaft an einem neuen Ballon, denn mittlerweile ist ihnen die Stasi auf die Schliche gekommen und beginnt mit den Ermittlungen. Noch kennt die DDR-Geheimpolizei den Absturzort nicht, doch die Schlinge zieht sich immer enger zu. Es beginnt ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit…
KRITIK
Als allererstes möchte ich euch eine Frage beantworten, die euch allen unter den Nageln brennen wird. Kann Michael Bully Herbig ernste Filme erzählen? Die Antwort ist in diesem Fall sehr einfach. Ja, er kann und wie er das kann. Michael Bully Herbig legt nicht weniger als einen der besten deutschen Filme des Jahres hin, der sich auch international nicht verstecken muss. Selten habe ich es bei deutschen Filmen, dass mir die Spannung so unter der Haut sitzt, dass ich fast schon das Atmen vergesse. Das witzige dabei, eigentlich ist das Ende dieses Filmes schon vor dem eigentlichen sehens des Films bekannt. Der Film beruht auf wahren Begebenheiten und erzählt die Geschichte der Familie Strelzyk, die 10 Jahre vor dem Fall der Mauer mit Hilfe eines selbstgebauten Heisluftballons in den Westen geflogen sind. Diese Geschichte ist eine der bekanntesten DDR-Flucht Geschichten die es gibt und indes auch sehr spannend. Bully schafft es über ganze 126 Minuten Laufzeit einen kurzweiligen, höllisch spannenden Thriller auf die Leinwand zu projizieren, der gnadenlos nach Auslandsoscar ruft. Das einzige kleinere Problem ist, dass Herr Herbig den Film etwas zu sehr aufplustert. Klar, er möchte einen spannenden, reißerischen Thriller erzählen. An einigen Punkten wäre aber weniger mehr gewesen. Wer es aber schafft so großartig und spannend eine schon bekannte Geschichte zu inszenieren, der hat noch eine ganz große Karriere vor sich. Dem Ausflug ins ernste ist Bully sowas von geglückt.
Wenn wir über den Cast reden, dann nur in ganz hohen Tönen. Bis auf ein kleines marginales Problemchen habe ich hier absolut nichts auszusetzen. Friedrich Mücke ist für mich mit eine der größten schauspielerischen Sensationen die ich seit langem gesehen habe. Wie er die Leinwand zu seinem macht und alle anderen gnadenlos an die Wand spielt ist sensationell. Auch Karoline Schuch spielt Ehefrau Doris in jeder Hinsicht großartig. Besonders die Momente nach dem ersten Fluchtversuch wirken lange nach. Etwas verschenkt ist hingegen Emily Kusche die schon in „Tigermilch“ zeigte wie gut sie aufspielen kann. Hier ist sie nicht mehr als das Love Interest vom Sohn der Strelzyk’s. Dazu hat sie auch noch viel zu wenig Screentime was etwas schade ist. Schließlich ist Sie eine der wohl besten neuen deutschen Schauspielerinnen die wir so haben. Da hätte man ihr auch gut und gerne mehr Leindwandpräsenz geben können.
Das größte Highlight jedoch ist Thomas Ketschmann. Jeder Moment in dem er die Leinwand betritt wird zum absoluten Highlight des Filmes. Unberechenbar, kalt und fies spielt er sich gnadenlos in den Vordergrund. Besonders die Szene am Tisch, als er zwei Soldaten verhört, ist schön böse und gemein gespielt. Was auch ganz besonders ist, alles was er sagt wirkt ganz anders als wir es aus deutschen Filmen kennen. Die Betonungen, die Art und Weise wie er es spricht ist ganz anders als bei allen anderen. Es wirkt schon fast so professionell wie eine Synchronstimme. Daher wirkt es besonders hier absolut undeutsch. Um aber zurück zur eigentlichen schauspielerischen Leistung von Thomas Kretschmann zu kommen. Allein seine Darbietung ist der Kinoeintritt wert.
Auch auf der gesamten technischen Ebene kann „Ballon“ punkten. Das aller beste an diesem Film ist, er sieht nicht deutsch aus. Ganz im Gegenteil. Der Film ist inszenatorisch und visuell sehr an das internationale Seherlebnis angelehnt. So haben wir nicht den typischen deutschen „Tatort“-Look sondern einen, der sehr an amerikanische Filme erinnert. Auch beim Soundtrack entwickelt sich Michael Bully Herbig weiter. So hatte er in seinen letzten Filmen immer Probleme damit, die Musik richtig einzusetzen. Meist wirke es fast schon als wüsste er gar nicht, was er mit der Musik anfangen soll. In „Ballon“ hingegen passt alles zusammen. Ein nicht zu überdominanter Soundtrack, der sich unter die Haut legt und fast schon den eigenen Herzschlag imitiert. In manchen Momenten fragen wir uns ob das jetzt der Soundtrack ist oder ob unser Herz doch so stark klopft. Wenn man so etwas hin bekommt, hat man in der Regel alles richtig gemacht.
FAZIT
„Ballon“ ist ein mitreißendes Thriller-Drama mit einem großartig aufspielenden Cast und einer Spannung die für absoluten Nervenkitzel sorgt. Ganz besonders die Optik und das Spiel von Thomas Kretschmann ist ein Kauf des Kinotickets wert. Nur marginale Probleme wie z.B. der unnötige Verbrauch von Emily Kusche, minimale Längen in der Mitte des Filmes und die etwas aufgeplusterte Handlung stört den Gesamteindruck. Dennoch, Michael Bully Herbig legt ein großartiges Thriller-Debut hin, was man nach seinen vorherigen Filmen nie erwartet hätte. Ganz zu schweigen von einer so hohen Qualität
Pros
- Spannende und gut erzählte Geschichte
- Tadellos guter Cast
- Herausragende Kameraarbeit
- Spannend bis zum Finale
- Perfekt passender Soundtrack
- Thomas Ketschmann ist der helle Wahnsinn
- Bewegendes und ergeifendes Finale
- Michael Bully Herbig leistet eine tolle Regie
Cons
- Ganz maginale Längen in der Mitte des Filmes
- Talent von Emily Kusche wird zu wenig ausgereitzt
- Plustert die wahre Geschichte etwas zu sehr mit Spannungselementen auf