Kritik: The Virgin Suicides | Sofia Coppola-Special #1

In Cannes wurde Sofia Coppola dieses Jahr als zweite Frau überhaupt mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Eine gute Gelegenheit, vor dem Start ihres neuen Films auf ihr bisheriges Schaffen zurückzublicken. Wir starten mit ihrem Regiedebut The Virgin Suicides.

In der Buchverfilmung The Virgin Suicides dreht sich alles um den Selbstmord der fünf Lisbon-Schwestern, die in den 70er-Jahren bei ihren strengen Eltern in einer amerikanischen Vorstadt leben. Dies beginnt mit dem missglückten Selbstmordversuch der jüngsten Schwester Cecilia (Hannah R. Hall). Nach diesem rät der Psychologe den Eltern der streng behüteten Kinder, für ein wenig Umgang mit Gleichaltrigen zu sorgen. Als diese die Kinder darauf hin eine Party ausrichten lassen, unternimmt Cecilia einen weiteren Versuch – diesmal erfolgreich.

Was uns die Story nach dem Buch von Jeffrey Eugenides allerdings genau sagen will, wird auch im Folgenden nicht wirklich klar. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der Nachbarjungen, die weder wirklich wissen, warum die Mädchen sich umbrachten, noch eine wirkliche Persönlichkeit bekommen. Dadurch wird die Erzählung leider sehr schwammig und unpräzise. Grundsätzlich hat das Thema der Übererziehung von Jugendlichen ja durchaus Potential, aber die Entscheidung, hier einige Aspekte unklar zu lassen, wirkt sich hier leider durchweg negativ aus.

Dazu kommt, dass die Story für ein ernst gemeintes Drama einen seltsamen satirischen Unterton hat. Nichts gegen einen Gewissen Humor, solcher kann richtig dosiert auch den deprimierendsten Dramen einen erfrischenden Schuss verpassen (siehe Manchester by the Sea), aber hier konnte man sich offenbar nicht wirklich entscheiden, ob man das Thema nun ernst nehmen will oder nicht. Leider funktionieren die verschiedenen Ansätze in der Erzählung hier nicht wirklich ineinander, weshalb letztendlich leider nichts Halbes und nichts Ganzes herumkommt. 

Oberflächliche Schauspieler mit einem Dunst Hoffnung

Unvorteilhafter Weise überträgt sich die Oberflächlichkeit des Drehbuchs und gibt ihnen wenig Handlungsspielraum. Vor allem die Nachbarsjungen, die ihres Zeichens ja als Hauptcharaktere fungieren, bleiben nichts weiter als Abziehbilder typischer Vorstadtkinder. Das wäre nicht wirklich schlimm, wenn dafür den titelgebenden Schwestern etwas mehr Tiefe gegeben würde.

Das gelingt aber auch hier nicht wirklich, die meisten der Schwestern bleiben ebenso platt. Einzige Ausnahme: Kirsten Dunst als Lux überzeugt und zeigt, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, der Rolle trotzdem so etwas wie Persönlichkeit einzuhauchen. Das merkt man bei den anderen nicht, was durchaus unvorteilhaft ist, da es doch einziges Ziel des Filmes ist, eine Erklärung für ihren Suizid zu suchen. Insgesamt also auch nur ein mittelmäßiger Cast.

Ein Soundtrack als Lichtblick

Leider misslingt es auch, dem Film auf der visuellen Ebene noch einen interessanten Touch zu geben. Hier gibt es viele Stativbilder und klassische Einstellungen, die der ohnehin schon mageren Story nicht wirklich zu einem interessanteren Look verhelfen. 

Interessant ist dafür der Soundtrack: Der nostalgische, stellenweise träumerische Soundtrack, u.a. von der französischen Band Air, trifft den Vibe besser als der Film selbst und ist gut eingesetzt. 

Aller Anfang ist schwer

Aber was hat Sofia Coppola nun zum (Miss-)Erfolg des Films beigetragen? Hätte man The Virgin Suicides durch eine gelungenere Inszenierung noch retten können? Durchaus möglich. Doch leider merkt man dem Film an, dass hier niemand mit großer Erfahrung im Regiestuhl saß. Coppola traut sich hier noch nicht, die Sache komplett selbst in die Hand zu nehmen, und verlässt sich hier zu sehr auf die Vorlage. Das merkt man auch daran, wie viel der Handlung per Off-Text, wahrscheinlich direkt aus dem Buch entnommen, erzählt wird.

Coppola ist hier zweifelsfrei noch auf der Suche nach ihrem Stil, den sie etwas später mit Lost in Translation auch finden wird. Zwar sind Ansätze und gute Ideen zu erkennen, wenn sie beispielsweise den Nebenstrang um Schulschönling Trip Fontaine (Josh Hartnett) in Form eines Interviews mit selbigem inszeniert oder die Erinnerungen der Jugendlichen in interessanten Montagen auf die Leinwand bringt. Aber letztendlich fügen sich diese Ideen nicht zu einem runden Gesamtbild zusammen und das Ende wirkt für die lange Zeit, in der der Film darauf hinarbeitet, ziemlich lasch. Fassen wir also zusammen:

Fazit

Mit The Virgin Suicides gelingt Sofia Coppola nur ein sehr durchschnittlicher Karrierestart. Zu holprig und unpräzise ist der Film, was sicherlich auch an der Vorlage liegt. Worauf genau die Story jetzt eigentlich hinaus will, wird wohl ein Geheimnis bleiben, und auch den Figuren hätte etwas mehr Tiefe nicht geschadet. Aber jeder fängt mal an, und so sind auch hier schon Ansätze für Coppolas späteren Stil zu erkennen.

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The Virgin Suicides

5.2

Story

4.0/10

Schauspiel

5.0/10

Kamera

5.0/10

Inszenierung

5.0/10

Sound

7.0/10

Pros

  • Gute Ansätze
  • Schöner Soundtrack
  • Kirsten Dunst

Cons

  • Chaotische Story
  • Blasse Darsteller
  • Unmutige Inszenierung

geschrieben am: 25. Juni, 2017 um 10:23 pm

Autor:

Moritz