Kritik: Somewhere | Sofia Coppola-Special #4

Bevor am Ende des Monats Sofia Coppolas neuer Film Die Verführten in die deutschen Kinos kommt, würdigen wir die diesjährige Gewinnerin des Regiepreises von Cannes mit einem Kritik-Special zu ihren bisherigen Filmen. Heute: Die zelebrierte Langsamkeit von Somewhere.
Johnny Marco (Stephen Dorff) lebt ein Leben, wie es sich mancher vielleicht erträumen würde: Der Schauspieler geht auf Partys, lässt Stripperinnen in sein Hotelzimmer kommen und fährt mit einem Luxuswagen durch die Gegend. Ab und an hat er mal einen Pressetermin, ansonsten lässt er es sich gut gehen. Als er jedoch ein paar Tage mit seiner Tochter (Elle Fanning) verbringen muss, wird ihm klar, dass er mit seinem Leben vielleicht doch nicht so zufrieden ist, wie es den Anschein haben könnte…
Ein Schauspieler, der durch eine ungewöhnliche Begegnung mit einer jüngeren Person über sein Leben reflektiert und seine eigenen Missstände anpackt? In einem Film von Sofia Coppola? Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor! Und richtig, ein wenig erinnert Somewhere tatsächlich an Lost in Translation. Sicherlich haben wir hier einen gänzlich anderen Hauptcharakter, aber die Art der Probleme sind ähnlich, und wenn Marco zu einer Premiere nach Mailand fährt, greift sogar der Humor der Kollision von Kulturen auch in diesen Film ein.
Doch wo in Lost in Translation diese zusätzliche Ebene dem Film das gewisse Etwas verpasst hat, ist in Somewhere größtenteils einfach… nichts. Das ist nicht unbedingt schlecht, das Thema hat ja durchaus genug zu bieten, jedoch wirkt die Story im Kontext und im Vergleich mit Coppolas vorigen Werken dann doch eher wie eine Light-Version. Nichtsdestotrotz bringt das Skript hier die Tragik von Johnny Marcos Leben hier in einigen Szenen gut auf den Punkt und bietet eine gute Grundlage für eine interessante Inszenierung.
B-Promis und junge Hoffnungen
Überrascht hat Coppola diesmal mit dem Casting: Während sie mit Elle Fanning eine vielversprechende und aufstrebende Jungdarstellerin wählte, ist Hauptdarsteller Stephen Dorff (Blade, Alone in the Dark) eher aus B-Movies bekannt und sicherlich nicht für Arthouse-Kino. Das lässt die Geschichte durchaus in einem anderen Licht erscheinen, denn so offensichtlich, wie diese Entscheidung heraussticht, kommt man nicht darum herum, den Schauspieler mit seiner Rolle zu identifizieren. So bekommt die Tragik des Charakters eine neue Dimension, denn man sieht Johnny Marco als B-Promi, der den großen Durchbruch nie geschafft hat. Eine smarte Wahl!
Dorff spielt seine Rolle auch gut, hat aber auch eine sehr dankbare Rolle. Elle Fanning (The Neon Demon, Super 8) überzeugt wie immer, hervorzuheben wäre noch Chris Pontius (Jackass), der als nicht näher vorgestellter Freund Sammy aus wenig Screentime maximale Unterhaltung herausholt. Insgesamt ein wirklich schöner Cast!
Langsamkeit und Stille
Passend zur langsamen Story des Films ist auch die Kameraarbeit. Hier werden Szenen ohne sichtbaren Mehrwert scheinbar ewig aus statischer Perspektive gehalten, um die Leere in Marcos Alltag zu offenbaren. Das passt sehr gut zur sonstigen Gestaltung des Filmes. Ansonsten bleibt die Kamera nah am Hauptdarsteller und berichtet nüchtern und leicht dokumentarisch von seinem Alltag. Eine interessante Herangehensweise.
Der Soundtrack ist nicht sonderlich auffällig, in Party- und anderen Szenen wird auf die Musik zurückgegriffen, die an diesem Ort sowieso laufen würde. Das ist auch okay so, da ein zu aufdringlicher Soundtrack nicht zur ruhigen Erzählweise gepasst hätte…
Ein besonderer Stil
Auch wenn die Story stark an Lost in Translation erinnert: Sofia Coppola schafft es mit ihrer Inszenierung trotzdem, Somewhere einen ganz eigenen Stil zu geben. Die extrem langsame Erzählweise und das Spiel mit Wiederholungen und Alltagssituationen erzeugt eine ganz besondere Art von Film, die gerade durch das Fehlen von großartiger Handlung die volle Wirkung entfaltet. Dazu bringt Coppola einen sehr schönen Humor in die oft absurden, obwohl simplen Situationen, in die sich der Hauptcharakter begibt.
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Fazit
Somewhere mag sich von der Story ein wenig zu sehr an Lost in Translation anlehnen, ohne wirklich viel neues zu erzählen. Dafür ist die Langsamkeit in der Inszenierung ein wunderbar eingesetztes Mittel und die außergewöhnliche Besetzung funktioniert. Gehört nicht zu Coppolas Meisterwerken, kann man aber durchaus anschauen.