Kritik: Marie Antoinette | Sofia Coppola-Special #3

Bevor am Ende des Monats Sofia Coppolas neuer Film Die Verführten in die deutschen Kinos kommt, würdigen wir die diesjährige Gewinnerin des Regiepreises von Cannes mit einem Kritik-Special zu ihren bisherigen Filmen. Weiter geht’s mit dem Historiendrama Marie Antoinette.

In Marie Antoinette erzählt Coppola die Geschichte der gleichnamigen französischen Königin (Kirsten Dunst). Diese wird 1769 mit 14 Jahren mit dem französischen Thronfolger Louis Auguste verheiratet, um die Verbindungen zwischen Frankreich und ihrer Herkunft Österreich zu stärken. In Versailles angekommen, muss sie sich zunächst an die Gepflogenheiten im französischen Königshaus gewöhnen und sich zudem einer Aufgabe stellen, die sich als schwieriger herausstellt als gedacht: Dem Thronfolger ein Kind zu gebären.

Der Film folgt Marie Antoinette von ihrem Einzug in Frankreich über ihren Aufstieg zur Königin bis hin zu ihrem Niedergang im Zuge der französischen Revolution. Dabei legt Coppola den Schwerpunkt auf die Sicht der jungen Königin, der in viel zu jungem Alter eine große Verantwortung aufgelegt wird und ihren Weg, mit ihrer Position umzugehen. Historische Ereignisse spielen hier nur eine Nebenrolle, Marie Antoinette ist eine Charakterstudie durch und durch. Und das geht, auch auf Grund der guten Castingentscheidungen, auf!

Ein vielseitiger Cast

Der Star des Films ist nämlich (natürlich) Kirsten Dunst! Die Hauptrolle war für die Schauspielerin alleine schon deshalb anspruchsvoll, weil die damals 23-jährige eine zu Beginn des Films 14-jährige glaubhaft verkörpern musste. Und das gelingt erstaunlich gut! Dunst bringt die kindliche Naivität und Neugier perfekt auf den Punkt und glänzt den restlichen Film über durch besondere Spielfreude und Ausstrahlung. Hier wird mal wieder klar, warum Coppola immer wieder gerne auf Dunst zurückgreift.

Auch der Rest des Casts überzeugt, eine smarte Entscheidung war sicherlich Wes Andersons Stammschauspieler Jason Schwartzman als introvertierter, vielbeschäftigter Thronfolger. Weitere erwähnenswerte Rollen wären Rose Byrne (28 Weeks Later) als Herzogin von Polignac oder oder Jamie Dornan, der als schwedischer Graf bereits viele Jahre vor 50 Shades Verführungsqualitäten unter Beweis stellt.

Überraschende Musik in traumhafter Kulisse

Aufgefangen wird die Geschichte durch die schönen Bilder von Kameramann Lance Acord, der wie auch schon bei Lost in Translation einen guten Job macht und die traumhaften Szenerien gut einfängt. Auch hier ist allerdings das Setdesign der entscheidende Faktor, denn hier werden der Prunk und die Umgebung in Versailles auf großartige Weise inszeniert.

Eine besondere Erwähnung verdient sich hier aber vor allem der Soundtrack: Coppola arrangiert hier einen anachronistischen Genre-Mix, der zu jeder Situation und in jeder Szene den richtigen Ton trifft und so einen großen Teil der Wirkung des Films ausmacht. Die Entscheidung, nicht nur auf zeitgenössische Musik zurückzugreifen, passt auch sehr gut zur Intention Coppolas.

Ein etwas anderes Coming-of-Age-Drama

Denn Marie Antoinette ist, anders als in der Titelform beschrieben, nicht wirklich ein Historiendrama. Formal vielleicht, aber was Coppola hier eigentlich inszeniert hat, ist eine ganz besondere Form eines Coming-of-Age-Films. Es ist das Portrait eines Mädchens, das den Hass einer ganzen Nation auf sich gezogen hat, obwohl sie einfach nur in viel zu jungem Alter eine unstemmbare Verantwortung übernehmen musste.

Wie bereits in ihrem vorigen Film nimmt Coppola hier ein Genre und rückt es in ein anderes Licht, betrachtet es in einem Setting, das aktiv in die Geschichte eingreift. Coming-of-Age-Dramen gibt es viele, und wie oft haben wir schon jungen Mädchen beim Erwachsenwerden zugeschaut. Aber selten waren solche Geschichten so großartig erzählt und von solcher Einzigartigkeit wie bei Marie Antoinette. Hier erleben wir ein Mädchen, dem alles offen steht und das doch abgekapselt ist von der Welt. Das Schloss ist hier wie ein Traum, ein Paradies, aus dem sie erst die wütenden Massen der französischen Revolution in die Realität zurückgeholt wird. Das alles macht Marie Antoinette zu einem wirklich runden und herausstechenden Film.

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Fazit

Marie Antoinette ist eine Perle des Historienkinos, eben weil hier der Fokus nicht nur auf historische Akuratesse wertgelegt wird. Mit einer hervorragenden Kirsten Dunst in der Hauptrolle gelingt hier ein tolles Charakterportrait über ein junges Mädchen und die Umstände, mit denen sie aufgewachsen ist. Ein unterschätzter Film!

Marie Antoinette

8.4

Story

8.5/10

Schauspiel

8.5/10

Kamera

7.5/10

Inszenierung

8.5/10

Sound

9.0/10

geschrieben am: 27. Juni, 2017 um 6:09 pm

Autor:

Moritz