Filmkritik: Verleugnung | Vorne Flop, Hinten Top

Mick Jacksons Gerichtsdrama Verleugnung behandelt ein tragisches und leider noch immer verbreitetes Phänomen: Das Leugnen des Holocausts. Wie der Film es schafft, die wahre Geschichte eines Prozesses zu verarbeiten, erfahrt Ihr in dieser Kritik!
Normalerweise argumentiert Deborah Lipstadt (Rachel Weisz), amerikanische Professorin für Holocaust-Studien, nicht mit Holocaust-Leugnern. Doch dann zeigt der britische Schriftsteller David Irwing (Timothy Spall), den sie in einem Buch als ebensolchen bezeichnet hat, sie wegen Verleumdung an. Durch das britische Rechtssystem befindet sie sich nun plötzlich in der Position, ihren Punkt belegen und dafür auch beweisen zu müssen, dass der Holocaust tatsächlich existiert hat. Mit einem Anwaltsteam (u.a. Andrew Scott & Tom Wilkinson) stellt sie sich der Aufgabe, muss sich mit ihren Verteidigern allerdings erst über die richtige Strategie einig werden.
Die wahre Geschichte dieses absurden und doch enorm wichtigen Prozesses liefert sicherlich einen exzellenten Filmstoff. Die Frage ist jedoch, inwiefern es gelungen ist, das Ereignis in eine gute Story umzusetzen. Betrachtet man diesen Aspekt, so weist der Film leider schizophrene Tendenzen auf: Während die zweite Hälfte die Spannung und interessanten Aspekte liefert, die einem versprochen wurden, ist die erste Hälfte ein kompletter Schuss ins Leere. Hier fokussiert sich der Film viel zu lange auf die Differenzen zwischen Lipstadt und ihren Anwälten, die sich auf verschiedene Weisen der Prozessführung beziehen und die sich im Laufe des Films als komplett sinnlos herausstellen. Nicht nur werden die gleichen Dinge nochmals und nochmals wiederholt, es findet auch auf beiden Seiten keinerlei Entwicklung statt. Dazu kommen furchtbar geschriebene Dialoge, die für den Verlauf der Geschichte wichtige Fakten lieblos in Erklärsätze pressen, die fast nie so wirken, als hätte sie eine echte Person in dieser Situation gesagt.
Glücklicherweise ändert sich dies schlagartig, wenn es (leider viel zu spät) endlich um das Ereignis geht, welches dem Film sein Genre verleiht: der Prozess. Hier wird das Geschehen interessant aufgearbeitet, die Dialoge treffen auf den Punkt und bis zum Schluss bleibt es spannend. Warum nicht gleich so?
Ein Händchen für die passenden Darsteller
Glücklicherweise wird Verleugnung aber auch in seinen schwachen Momenten noch getragen von seinem herausragenden Ensemble an Schauspielern. Da fällt natürlich als erstes der Blick auf Rachel Weisz (The Fountain, Die Mumie), die es besonders schwer hat, ihre Rolle im Film auszuloten, da sie zwar als Hauptcharakterin aufgezogen wurde, aber im Prozess dann doch nur eine Randrolle einnimmt. Wie sinnvoll das ist, darüber wird in anderen Teilen dieser Review genug hergezogen, aber Weisz nimmt diese Aufgabe an und zeichnet sehr gut das Bild einer überzeugten Frau, die jedoch lernen muss, anderen zu vertrauen.
Auch das Ensemble um Weisz herum überzeugt. Da wäre zum einen Andrew Scott, bekannt geworden durch die Rolle des Sherlock-Bösewichts Moriarty, der hier überzeugend den Anwalt hinter den Kulissen spielt. Auch sehr gut ist Tom Wilkinson, Scotts vor Gericht sprechendes Pendant.
Der wahre Besetzungscoup gelang allerdings mit Timothy Spall. Der britische Charakterdarsteller, den meisten wohl bekannt durch seine Verkörperung des Peter Pettigrew in den Harry Potter-Filmen, spielt Holocaustleugner Irving absolut herausragend. Die Ekelhaftigkeit und Selbstüberschätzung der Figur sind Spall in jeder Szene ins Gesicht geschrieben, man kauft ihm die Rolle zu jeder Zeit voll ab. Wenn er vor Gericht seine wilden Thesen vorträgt, ohne mit der Wimper zu zucken, kommt man auch als Zuschauer ins Grübeln, ob er das nicht vielleicht wirklich selber glaubt. Insgesamt ein wirklich sehr guter Cast!
Eine ruhige Kamera mit Respekt
Ebenfalls sehr gut und durchweg präzise ist die Kamera. Wie es sich für ein Gerichtsdrama gehört, bleibt diese ruhig und berichtet fast dokumentarisch über die Ereignisse, setzt jedoch in bedeutsamen Momenten schön kleine Akzente auf mehr oder weniger wichtige, aber stets passende Einzelheiten. Hier gibt es nichts zu meckern, eine sehr gute, solide Kameraarbeit, die auch heiklere Momente wie einen Besuch in Auschwitz respektvoll und stilsicher einfängt.
Solide Tonarbeit
Auch der Sound ist durchweg solide, es gibt keine Überdramatisierung der Musik, oftmals bleibt es einfach still. Der Soundtrack ist recht unauffällig, was allerdings auch gut zur zwanghaften Nüchternheit einer Gerichtsverhandlung passt. Auch sonst ist der Ton okay, letztendlich ist aber nichts wirklich besonderes in der Soundarbeit hervorzuheben.
Interessantes Drama mit schizophrenen Tendenzen
Die zweite Hälfte zeigt es: Das Ereignis liefert eine hervorragende Vorlage für ein spannendes und interessantes Drama. Warum Regisseur Mick Jackson (Bodyguard) sich dazu entschieden hat, den Beginn so aufzublähen, bleibt ein Rätsel. Auch weitere Entscheidungen erscheinen fragwürdig: Wenn man sich beispielsweise nicht dafür entschieden hätte, Deborah Lipstadt zum Hauptcharakter zu machen, hätte man nicht so ewig damit verbringen müssen, zu erklären, warum sie im Prozess später keine große Rolle mehr spielt. So wirkt es allerdings so, als ob Jackson versucht hätte, ein reales Ereignis in klassische Hollywoodstrukturen zu pressen, dass da aber nicht so wirklich reinpasst.
Letztendlich muss man allerdings sagen, dass es sich vielleicht gelohnt hat, all die Voraussetzungen zu schaffen, damit in der zweiten Hälfte des Filmes alles flüssig laufen kann. Das hätte man aber wirklich eleganter hinbekommen können. Nichtsdestotrotz gibt es auch hier einige nette Momente. Der bereits erwähnte Besuch in Auschwitz hat durch den Einsatz von Nebel eine bedächtige Atmosphäre, in der die Vergangenheit wie der Schleier des Nebels drückend in der Luft liegt.
Den Gerichtsprozess inszeniert der Regisseur dann als knallharten Argumentationskampf, bei dem die Argumente auf der einen Seite freilich allesamt im höchsten Maße absurd sind. Gerade diese ungleichmäßigen Verhältnisse könnten dafür sorgen, dass es sehr schnell langweilig wird, aber hier gelingt es dem Film, immer interessant und spannend zu bleiben. Sei es aus Entsetzen ob Irvings Dreistigkeit und dem Fakt, dass man solche Thesen ernsthaft widerlegen muss, oder vor Erstaunen, wie grazil und kühl Anwalt Rampton (Wilkinson) Irving auseinandernimmt, als Zuschauer bleibt man hier voll bei der Stange. Und am Ende wird es dann tatsächlich unerwarteterweise nochmal richtig spannend.
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Fazit
Es ist eine Schande: Ohne die ziemlich langweilige und stümperhafte erste Hälfte hätte Verleugnung ein brillanter Gerichtsthriller sein können. Trotzdem lohnt es sich, den Anfang durchzustehen, um die fantastische Inszenierung des Prozesses zu erleben. Auf jeden Fall ist es gut, zu sehen, dass sich jemand an dieses tragische Thema herangewagt hat, denn das Verdrehen von historischen Fakten zu seinen Gunsten ist nicht nur eine furchtbare Masche, sondern leider auch heute noch aktuell.